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Karibische Affaire

Karibische Affaire

Titel: Karibische Affaire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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Wunde?« fragte Miss Marple. »In meiner Kindheit haben wir das immer getan!«
    »Sehr vernünftig«, sagte Dr. Graham.
    »Und dann der Leinsamenwickel und das Einreiben mit Kampferöl bei starkem Husten!«
    »Ich sehe, Sie kennen sie alle!«, sagte Dr. Graham lachend. Er stand auf. »Wie geht’s dem Knie? Was machen die Beschwerden?«
    »Ach, die sind sehr viel besser geworden.«
    »Nun, vielleicht war’s die Natur, vielleicht waren es meine Tabletten«, sagte Dr. Graham. »Tut mir nur leid, dass ich Ihnen in der anderen Sache nicht helfen konnte.«
    »Aber Sie waren doch so nett – ich schäme mich wirklich, Ihre Zeit so zu beanspruchen. Sagten Sie nicht, es seien keine Fotos in der Brieftasche des Majors gewesen?«
    »Doch, doch – ein sehr altes von ihm selbst als ganz junger Mann auf einem Polopony, und eines mit einem erlegten Tiger, auf den er gerade den Fuß setzt. Bilder dieser Art, Erinnerungsfotos eben. Ich habe sehr genau nachgesehen, aber das von Ihnen beschriebene war bestimmt nicht dabei.«
    »Aber ich glaube Ihnen das aufs Wort, so hab’ ich es auch nicht gemeint! Es hat mich nur interessiert – wir haben doch alle den Hang, solches Zeug aufzubewahren…«
    »Ja, ja, o Jugendzeit, wie bist du weit«, sagte der Arzt lächelnd. Damit verabschiedete er sich und ging. Allein geblieben, blickte Miss Marple nachdenklich auf die Palmen und das Meer hinaus. Erst nach Minuten nahm sie ihr Strickzeug wieder auf. Sie hatte jetzt Gewissheit erhalten, und sie musste nachdenken. Das Foto, das der Major so eilig in seine Brieftasche zurückgesteckt hatte, war nach seinem Tode nicht mehr da. Undenkbar, dass er es fortgeworfen haben könnte. Er hatte es in seine Brieftasche gesteckt, und dort hätte es nach seinem Tode sein müssen. Geld, das konnte gestohlen werden. Aber niemand würde ein Foto stehlen – außer, jemand hatte bestimmte Gründe…
    Miss Marples Miene war ernst. Es galt jetzt, einen Entschluss zu fassen. Sollte sie Major Palgraves Grabesfrieden stören oder nicht? Sollte sie alles lassen, wie es war? Leise sagte sie vor sich hin: »Duncan sank in sein Grab. Sanft schläft er nach des Lebens Fieberschauern!« Auch Major Palgrave war dorthin gegangen, wo keine Gefahr mehr drohen konnte. War er nur aus Zufall gerade in dieser Nacht gestorben, oder war es kein Zufall? Die Ärzte nahmen den Tod älterer Leute so leicht in Kauf. Und überdies hatte im Sterbezimmer noch jenes Fläschchen mit Pillen gestanden, wie sie Leute mit hohem Blutdruck täglich nehmen mussten! Hatte aber jemand das Foto aus des Majors Brieftasche entwendet, so konnte er genauso gut dieses Fläschchen ins Zimmer gestellt haben! Niemals hatte der Major vor ihr irgendwelche Pillen genommen, niemals von seinem Blutdruck gesprochen. Nur das eine hatte er gesagt: Er fühle sich nicht mehr so jung wie früher. Auch war er gelegentlich ein wenig kurzatmig gewesen, asthmatisch – aber sonst? Und doch, irgendjemand hatte von Major Palgraves hohem Blutdruck gesprochen – war es Molly gewesen? Oder Miss Prescott? Sie kam nicht darauf.
    Miss Marple seufzte. Ohne es auszusprechen, sagte sie zu sich: »Nun, Jane, was schlägst du vor, was denkst du? Bildest du dir das Ganze vielleicht nur ein? Worauf kannst du dich wirklich stützen?«
    Satz um Satz, so genau sie es vermochte, ging sie ihr Gespräch, das sie mit dem Major über Morde und Mörder geführt hatte, nochmals durch.
    »Ach du meine Güte!«, sagte sie schließlich. »Selbst wenn – ich sehe keine Möglichkeit, wie ich in dieser Sache etwas tun könnte!«
    Aber eines wusste sie: Sie würde es versuchen.

6
     
    M iss Marple erwachte früh am Morgen. Wie so viele alte Leute schlief auch sie nur leicht und lag oftmals wach, wobei sie über dies und jenes nachdachte, das am folgenden oder an einem der nächsten Tage geschehen sollte. Aber diesmal lag Miss Marple da und dachte nüchtern und folgerichtig über einen Mord nach, über ihren Verdacht und darüber, was sie unternehmen konnte. Es war nicht leicht! Sie besaß nur eine einzige Waffe: ihre Konversation. Alte Damen hatten für gewöhnlich einen Hang zur Weitschweifigkeit. Das langweilte die Leute zwar, aber keiner würde dahinter besondere Motive vermuten. Es kam also nicht darauf an, direkte Fragen zu stellen – welche Fragen hätte sie auch stellen sollen! –, sondern es konnte sich nur darum handeln, über gewisse Personen mehr herauszufinden. In den Gedanken ging sie diese gewissen Personen durch.
    Vielleicht konnte man

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