Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karibische Affaire

Karibische Affaire

Titel: Karibische Affaire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
scheint sie an diesem Abend im Speisesaal bemerkt zu haben.«
    »Er war da wie immer – seine Frau aber nicht – «
    »Glauben Sie, dass sie jemanden treffen wollte – Victoria Johnson vielleicht?«
    »Kann sein – vielleicht hat sie aber auch den gesehen, der Victoria treffen wollte.«
    »Sie denken an Gregory Dyson?«
    »Wir wissen, dass er vorher mit Victoria gesprochen hat. Er kann dabei mit ihr vereinbart haben, sie später zu treffen. Sie erinnern sich, alle waren auf der Terrasse in Bewegung – beim Tanzen, beim Trinken – und dann noch das Aus und Ein in der Bar!«
    »So eine Tanzveranstaltung ist das beste Alibi!«, sagte Daventry und schnitt eine Grimasse.

16
     
    J eder zufällige Beobachter hätte geglaubt, die sanfte ältere Dame, die so tief in Gedanken vor ihrem Bungalow stand, denke nur darüber nach, wie sie sich den Tag einteilen solle – vielleicht eine Fahrt zum Castle Cliff, ein Besuch in Jamestown, dann eine hübsche Fahrt zum Lunch nach Pelican Point – oder sollte sie nur einen ruhigen Vormittag am Strand –
    Aber die sanfte alte Dame hatte ganz andere Dinge im Kopf: sie war in streitbarer Stimmung.
    »Es muss endlich etwas geschehen«, sagte sie sich. Überdies war sie überzeugt, dass die Zeit drängte.
    Aber wen konnte sie davon überzeugen? Ja, hätte sie mehr Zeit gehabt – sie hätte die Wahrheit schon allein herausgefunden! Sie hatte nämlich schon eine ganze Menge herausgefunden, aber leider nicht genug – bei Weitem nicht! Und die Zeit drängte.
    Schmerzlich wurde sie sich bewusst, wie sehr ihr auf dieser paradiesischen Insel ihre üblichen Verbündeten fehlten.
    Mit Bedauern gedachte sie ihrer Freunde in England. Da war Sir Henry Clithering, der ihr jederzeit nachsichtig zuhörte, da war sein Patenkind Dermot, der trotz seiner gehobenen Stellung bei Scotland Yard jederzeit bereit war, hinter Miss Marples Vermutungen etwas Ernstzunehmendes zu sehen.
    Aber würde dieser eingeborene Polizeioffizier sich für das Drängen der alten Dame interessieren? Oder Dr. Graham? Aber Dr. Graham war nicht der Mann, den sie brauchte – er war zu freundlich, zu abwägend, kein Mann der raschen Entschlüsse oder gar Taten. Miss Marple, die sich selbst eher als demütiges Werkzeug des Allmächtigen fühlte, war nahe daran, ihre Not in biblischer Sprache hinauszurufen:
    ›Wer wird an meiner Statt gehen?‹
    ›Wen soll ich senden?‹
    Das, was diesem Stoßgebet auf dem Fuß folgte, war weit davon entfernt, von Miss Marple als Antwort erkannt zu werden. Es klang eher, als riefe ein Mann seinen Hund zu sich.
    »He!«
    Miss Marple, tief in Gedanken, achtete nicht darauf. »He!« Jetzt klang es schon stärker, sodass Miss Marple sich erschrocken umsah.
    »He!«, schrie Mr Rafiel und setzte hinzu: »Sie dort!« Miss Marple hatte Mr Rafiels »He, Sie dort!« nicht im entferntesten auf sich bezogen. So gerufen zu werden, war ihr absolut neu. Noch nie hatte jemand das getan. Gewiss, es war keine vornehme Art der Aufforderung, aber Miss Marple fühlte sich durchaus nicht beleidigt, wie denn auch alle Welt sich nur selten von Mr Rafiels etwas eigenwilliger Art beleidigt fühlte. Er war so etwas wie eine Institution, und man akzeptierte ihn als solche. Miss Marple blickte zu dem Bungalow hinüber, in dessen Loggia Mr Rafiel saß und ihr winkte.
    »Meinten Sie mich?«, fragte sie.
    »Nein, die Katze«, sagte Mr Rafiel. »Na, so kommen Sie schon!«
    Miss Marple blickte sich nach ihrem Strickkörbchen um, nahm es auf und machte sich auf den Weg.
    »Ich kann ohne Hilfe nicht hinüberkommen«, erklärte Mr Rafiel, »also müssen schon Sie sich hierher bemühen.«
    »O ja«, sagte Miss Marple, »das ist mir klar.«
    Mr Rafiel wies auf den Stuhl neben sich. »Da setzen Sie sich her«, sagte er. »Ich hab’ mit Ihnen zu reden. Auf dieser Insel gehen komische Dinge vor sich.«
    »Nicht wahr?«, sagte Miss Marple, indem sie sich niederließ. Aus purer Gewohnheit griff sie nach ihrem Strickzeug.
    »Fangen Sie bloß nicht wieder zu stricken an!«, warnte Mr Rafiel. »Ich kann es nicht ausstehn! Strickende Weiber sind mir ein Gräuel!«
    Miss Marple verstaute ihr Strickzeug wieder, ließ aber merken, dass sie dies als Zugeständnis an einen eigensinnigen Patienten aufgefasst wissen wollte.
    »Es wird hier so viel herumgetratscht«, sagte Mr Rafiel, »und ich möchte wetten, dass Sie eine der Haupttratschen sind! Sie, der Pastor und seine Schwester.«
    »Wie die Dinge liegen, ist es nur natürlich, dass geredet

Weitere Kostenlose Bücher