KARIBISCHES LIEBESABENTEUER
überlegte, was sie tun sollte, und als ihr nichs einfiel, schnürte ihr Panik die Kehle zu, und sie unterdrückte nur mühsam ein Schluchzen.
Sie schämte sich für ihre Schwäche. Der Monat ihrer Gefangenschaft hatte ihre Kräfte unterminiert. Sie hatte allmählich jede Hoffnung verloren, je wieder nach Hause zurückzukommen. Und sie zweifelte fast schon daran, ob man sie überhaupt vermisste.
Aber sie war eine Cantrell. Seit sie sich erinnern konnte,war sie davor gewarnt worden, sich gehen zu lassen oder auf irgendeine Weise die Kontrolle über sich zu verlieren.
Im Moment war Selbstmitleid allerdings sowieso nicht angesagt, denn nicht sie lag verletzt und bewusstlos auf dem schmutzigen Boden. Lilah ermahnte sich, sich lieber darauf zu konzentrieren, Dominic zu helfen, und nicht wie eine hirnlose Romanheldin sinnlos die Hände zu ringen. Sie konnte sich vorstellen, was ihre Großmutter sagen würde. „Um Himmels willen, Kind!“ Fast glaubte Lilah die vertraute strenge Stimme zu hören. „Hör auf zu heulen und versuch, dich deiner Familie würdig zu erweisen!“
Dieser Gedanke wirkte auf Lilah, als hätte sie jemand mit kaltem Wasser überschüttet. Sie schluckte mühsam, holte tief Luft und unterdrückte die wehleidigen Gefühle, die sie zu überwältigen drohten. Zu ihrer Erleichterung verschwand der Kloß in ihrem Hals, und ihre Hände zitterten nicht mehr. Ermutigt, verschwendete sie keine Zeit mehr, sondern wandte all ihre Aufmerksamkeit Dominic zu.
Sie würde ihr Bestes tun, um zunächst herauszufinden, wo er verletzt war. Danach würde sie sich überlegen, was sie dagegen tun konnte.
Behutsam begann Lilah, ihn zu untersuchen. Sie betastete seinen Kopf und das Gesicht behutsam mit den Fingern, auf der Suche nach Beulen oder Blut oder einem anderen Zeichen, das ihr sagen würde, was nicht in Ordnung war. Danach befühlte sie seinen Hals und den Nacken und ganz langsam seine Rippen, den Rücken, die Schulter und den Arm auf der ihr zugekehrten Seite.
Sie konnte nichts entdecken. Bis auf die Tatsache, dass er immer noch Muskeln aus Stahl zu haben schien, genau wie Lilah sie in Erinnerung hatte.
Sie kämpfte gegen die aufsteigende Verzweiflung an. „Komm schon, Dominic“, flüsterte sie. „Hör auf, dich so anzustellen. Ich brauche dich. Wach bitte, bitte, bitte auf.“
„Himmel noch mal, Lilah. Reg dich ab.“
„Oh!“ Sie sah in Dominics Gesicht und merkte, dass er sie mit seinen ihr so vertrauten grünen Augen musterte. „Du bist wach!“
„Ja.“ Er rührte sich immer noch nicht, sondern sah sie nur sekundenlang an. Dann hob er den Kopf kaum merklich vom Boden, schüttelte ihn leicht und zuckte zusammen. „Zu meinem Pech.“ Er kniff die Augen zusammen, als wäre selbst das trübe Licht in der Zelle mehr, als er ertragen konnte.
Lilah hielt besorgt den Atem an. Wenn er nun eine Gehirnerschütterung hatte oder gar einen Schädelbruch? Oder – sie dachte mit Schaudern an den Tritt, den er in die Rippen bekommen hatte – gebrochene Rippen oder einen Milzriss? Der Himmel möge ihnen helfen, womöglich hatte er innere Blutungen und wusste es nicht einmal. Sie schluckte mühsam. „Wo tut es weh?“
„Wo tut es nicht weh?“, erwiderte er. „Aber …“, er hob einen Zeigefinger, „… ich habe schon Schlimmeres überlebt, also krieg dich wieder ein, okay?“ Mit einem resignierten Seufzer öffnete er wieder die Augen, stützte sich auf einen Ellbogen und legte die Hand auf Lilahs Finger, die sie um die Gitterstäbe geschlungen hatte. „Vertrau mir. Es geht mir gut. Ich brauche nur einen Moment, um mich zu orientieren.“
Vertrau mir. Die Worte waren wie ein Echo aus der Vergangenheit. Wie oft hatte er genau das zu ihr gesagt, nachdem er sie herausgefordert hatte, Dinge zu tun, die entweder gefährlich oder verboten, aber in jeder Hinsicht unwiderstehlich reizvoll waren? Wie oft hatte sie in seine faszinierenden Augen gesehen und den Kampf gegen die Versuchung verloren? Wie oft hatte seine Berührung sie alle Vernunft vergessen lassen, während ihr Körper vor Verlangen nach ihm brannte?
So oft, dass sie ihn nie vergessen hatte.
Unvermittelt gab er ihre Hand frei und rollte sich auf die Seite. Mit einer Grimasse betastete er die blutende Lippe. Dann wischte er das Blut mit dem Handrücken fort und kam mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf die Beine.
Lilah beobachtete ihn stumm, während er zu erkunden versuchte, was mit ihm los war. Er drehte den Kopf von einer Seite auf
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