Karl der Dicke beißt sich durch
nämlich von der Presse.“
Die Frau nickte.
„Ja ja“, sagte sie, „das kann man ja sehen. Dann war der Junge, der die Ohrfeigen gekriegt hat, vom Rundfunk.“
„Nein, ganz im Ernst!“ rief Karl. „Wir haben eine Antizeitung gegründet und wollen nur von guten Taten berichten.“
„Von mir ist aber nichts zu berichten“, sagte die Frau. „Ich bin ein anständiger Mensch!“ Und die andere, die bisher geschwiegen hatte, fügte hinzu: „Wir haben von morgens bis abends unsere Arbeit und tun niemandem was Schlechtes.“
„Na, also!“ rief Karl. „Das ist ja auch schon positiv zu beurteilen. Aber ist Ihnen nicht noch eine besonders gute Tat in Erinnerung?“
„Nee!“ rief die erste Frau. „Wer sieben Kinder, einen Mann, zehn Kopf Hornvieh, fünfundzwanzig Schweine, zwei Hunde und sechsunddreißig Hühner zu versorgen hat und daneben noch ein Haus bestellen muß, der hat für gute Taten gar keine Zeit mehr! Aber wenn ich euch mal was raten soll, dann kann ich nur sagen, tut die guten Taten, über die ihr berichten wollt, doch selbst! Ihr scheint ja Zeit genug dafür zu haben.“
Karl merkte, daß von dieser resoluten Dame nichts für ihre Zeitung zu holen war, und stieg wieder auf sein Rad. „Wir werden über Ihren Vorschlag nachdenken“, rief er zurück. „Vielen Dank einstweilen für das Gespräch!“
Und zu den Freunden sagte er: „Kommt, wir wollen uns erst mal stärken, Mißerfolge machen mich immer hungrig.“ Als sie im Dorfkrug hinter einem Glas Limonade saßen und auf die Bratkartoffeln mit Spiegeleiern warteten, die sie bestellt hatten, sagte Egon: „Die Frau hat recht. Es ist wirklich Unsinn, über gute Taten berichten zu wollen, die andere verübt haben. Wir sollten uns selber ans Werk machen.“ Karl kippte sein Getränk in einem Zug hinunter und schüttelte den Kopf.
„Das fehlte noch!“ rief er. „Meinste, ich will jeden Tag alten Omas über die Straße helfen, ihnen die Milch vom Schlachter und die Wurst vom Bäcker holen, nur damit wir unsere Zeitung vollkriegen? Nee, mein Lieber, so habe ich mir meine Aufgabe als Reporter nicht vorgestellt.“
Egon bohrte ihm seinen Zeigefinger in die Rippen.
„Laß deine Phantasie spielen, Karl“, sagte er. „Es gibt wichtigere Arbeiten.“
„Mir fallen keine ein“, grunzte Karl.
„Aber mir“, sagte Egon. „Wenn man zum Beispiel dafür sorgt, daß niemand seinen Müll in irgendeinen Graben kippt, so ist das ein gutes Werk. Und wenn es einem gelingt, die Pauker davon zu überzeugen, daß Hausaufgaben gesundheitsschädigend sind, dann hat man sich auch um die Menschheit verdient gemacht.“
Karl winkte ab.
„Das ist etwas Unabänderliches, mit dem man leben muß wie mit der Sonne und dem Mond“, sagte er. „Das entzieht sich unserm Einfluß.“
„Sag das nicht!“ rief Egon. „Ich könnte mir vorstellen, daß wir bei dem Paradegeier ein offenes Ohr fänden, wenn wir ihm die Abschaffung der Hausarbeiten nahelegten.“
„Bei dem bestimmt nicht!“ rief Karl. „Der ist doch noch aus der guten alten Zeit übriggeblieben.“
„Irrtum!“ sagte Egon. „Der müßte doch überglücklich sein, wenn er deine unerfreulichen Hausaufsätze nicht mehr zu korrigieren hätte!“
Karl holte Luft und wollte etwas Herzhaftes darauf erwidern, aber weil soeben der Wirt mit einer Riesenschüssel voller Bratkartoffeln und sechs Spiegeleiern an ihren Tisch trat, verkniff er es sich und wandte sich ganz dem bevorstehenden Mahl zu.
„Donnerwetter“, flüsterte er hingerissen, „das könnte beinah reichen!“ Und schon begann er, die fettglänzenden goldbraunen Kartoffeln zu verteilen.
„Ein Löffelchen für Egon“, sagte er dabei, „eine Portion für Guddel und einen Schlag für meine Wenigkeit! Und nun umgekehrt, damit ich auch zu meinem Recht komme: Einen
Schlag für meine Wenigkeit, eine Portion für Guddel und ein Löffelchen für Egon!“
„Bist du noch zu retten!“ rief Egon empört. „Die Wenigkeit hier am Tisch bin ich! Mit lauter Löffelchen kannst du mich nicht abspeisen!“ Er riß ihm die Kelle aus der Hand und setzte die Verteilung auf seine Art fort. „Ein Quantum für meine Bescheidenheit“, sagte er, „eine Handvoll für Guddel und ein Häppchen für Karls Unersättlichkeit! Meint ihr nicht, daß die Sache so gerechter aussieht? Nun wollen wir mal die Eier verteilen. Wenn ich mir drei nehme und Guddel zwei gebe, bleibt für Karl genau eins übrig. Mehr sollte er seinem Körper nicht aufdrängen, sonst
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