Karl der Dicke & Genossen
Sababurg. Rolf war ganz aufgeregt.
Er putzte stundenlang an seinem Rad herum und hatte seinen Teil des geringen Gepäcks schon am Abend rutschsicher auf dem Gepäckträger angeschnallt.
Frau Bobenhausen schmierte Brote für die ganze Mannschaft und bat die großen Jungen immer wieder, auf Rolf Rücksicht zu nehmen.
„Fahrt nicht so schnell, er hat keine besondere Übung im Radfahren. Wenn ihr ihm davonsaust, könnte er aus Verzweiflung vielleicht etwas Dummes anstellen.“
Guddel beruhigte die besorgte Mutter.
„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte er, „ich werde mich um ihn kümmern. Und im übrigen haben wir ja keine Eile und werden uns viel Zeit lassen, um die schöne Landschaft zu genießen.“
Aber aus der Fahrt zur Sababurg wurde nichts.
Am folgenden Morgen regnete es nämlich so stark, daß niemand auch nur einen Schritt vor die Tür gehen mochte. Rolf war bitter enttäuscht.
Er hockte hinterm Fenster und starrte in den grauen Himmel und auf die kleinen Wildbäche, die über den Hof dahinschossen. Die Wolkendecke war dicht und gab keinen blauen Zipfel frei.
„Nun fang bloß nicht an zu heulen“, tröstete Karl auf seine mitfühlende Art. „Wenn wir nicht zur Sababurg fahren können, bauen wir sie uns hier im Atelier auf, wie es beim Film auch gemacht wird.“
„Wir haben doch gar kein Atelier“, wehrte Rolf ab. „Und ob wir eins haben!“ sagte Karl. „Ein besseres Atelier als eure Scheune gibt es nirgends. Frag mal Egon, der kennt sich aus bei Bühne, Film und Funk.“
„Na klar“, bestätigte der, „eure Scheune ist ein ideales Atelier, ehrlich!“
„Und woraus wollen wir die Sababurg bauen?“ fragte Rolf, schon ein wenig fröhlicher.
„Aus dem besten aller Baumaterialien natürlich“, erklärte Karl, „aus Stroh! Das ist angenehm zu verarbeiten, widersetzt sich nicht der gestaltenden Hand des Baumeisters und wärmt. Und sollte mal ein Stein aus der Mauer brechen oder der Bergfried umfallen, dann haben die Bauknechte nicht gleich ein Loch im Kopf.“
„In der Scheune stehen auch noch ein paar Latten und zwei Leitern!“ rief Rolf eifrig und war schon Feuer und Flamme für das neue Vorhaben.
„Na also“, sagte Karl, „mit Leitern, Latten, Stroh und Phantasie soll uns der Bau wohl gelingen.“
Frau Bobenhausen freute sich, daß Rolf seine Enttäuschung überwunden hatte.
Eifrig gingen die Jungen ans Werk.
Die gepreßten Strohballen ließen sich gut als Bausteine benutzen und ermöglichten eine schnelle Bauweise. In zehn Minuten stand der Ringwall, und in einer halben Stunde waren Palas und Kemenaten gebaut und der Bergfried errichtet. Als Zugbrücke wurde eine Leiter so kunstvoll auf zwei Strohballen gelegt, daß jeder, der sie betrat, todsicher in den Burggraben fiel.
Die fertige Anlage sah allerdings mehr nach einem unordentlichen Steinbruch aus als nach einer Burg, und mit der Sababurg hatte sie sicherlich nicht mehr Ähnlichkeit als ein Pfannkuchen mit einer Heugabel: aber was fehlte, ergänzte die Phantasie.
Darum waren die kühnen Handwerker sehr zufrieden mit ihrem Bauwerk.
Egon betrachtete das wilde Gemäuer eine Zeitlang wohlgefällig.
„Was man doch nicht alles zuwege bringt, wenn man Geschick hat!“ sagte er. „Nun wollen wir die schöne Burg gemeinsam erstürmen und kurz und klein schlagen.“
„Du bist wohl vom Balkon gefallen!“ rief Karl kopfschüttelnd. „Hast du schon mal gehört, daß der Burgherr seine eigene Burg zerstört? Mensch, wir haben doch Verstand für sinnvollere Spiele. Ich weiß was viel Besseres! Der Burgherr, das bin ich, befindet sich gerade auf einem Kreuzzug nach Jerusalem. Das Burgfräulein, das bist du, Egon, sitzt in seinem Dachstübchen, guckt immerzu in die endlose Weite und weint sich die Augen aus nach seinem Mann.“
„Seit wann hat ein Fräulein einen Mann?“ fragte Egon grinsend.
„Wenn es verheiratet ist, hat es auch einen Mann, Mensch! Ich weiß gar nicht, was daran komisch ist.“
„Verheiratete Fräulein werden im allgemeinen Frau genannt!“
„Ach, das stört dich! Dann bist du meinetwegen die Burgfrau. Jedenfalls hockst du hinterm Fenster, weinst dir nach mir die Augen aus und guckst in die endlose Weite.“
„Das finde ich aber sehr langweilig, immer nur heulen und gucken!“
„Nur zuerst“, tröstete Karl. „Wenn du nämlich ein paar Wochen in die endlose Weite geguckt hast, kommt plötzlich der Minnesänger Rolf auf seinem edlen Roß, das ist Guddel, angeritten, klopft ans Tor, schmilzt
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