Karl der Dicke & Genossen
Wohnzimmer auf zwei Couches. Die Gastgeberin selber begnügte sich mit einem Platz auf dem Sofa im Eßzimmer.
Am andern Morgen wurden die Jungen von dem Duft nach
Kaffee und frischen Brötchen, der das Haus durchzog, geweckt. Tante Hannelore hatte den Tisch appetitlich gedeckt. Sie bediente ihre Gäste und gab dabei den Tagesplan bekannt.
„Nach dem Frühstück gehen wir erst zum Postamt“, sagte sie, „damit Guddel sein Honorar bekommt. Und dann fahren wir gleich nach Kassel hinüber. Je eher wir nämlich unsere Suche beginnen, desto besser. Unter Umständen dauert es sehr lange.“
Auf dem Postamt war tatsächlich Geld für Guddel eingegangen, und zwar siebzig Mark für zwei Berichte. Das war kein Vermögen, aber für den jungen Schriftsteller ein erfreulicher Anfang, der ihn zum Weitermachen ermutigte. „Mensch, Guddel“, sagte Karl, „jetzt müßten wir eigentlich Sie zu dir sagen. Was für ein Glück haben wir doch, einen so großen Dichter unsern Freund nennen zu dürfen!“ Guddel wurde rot und gab ihm das Geld.
Die Fahrt nach Kassel dauerte kaum eine halbe Stunde in dem schnellen Flitzer. Obwohl Egon, Rolf und Guddel auf der hinteren Sitzbank nicht viel Platz hatten, genossen sie Tante Hannelores Fahrweise auf der kurvenreichen Strecke sehr.
„Es gibt in Kassel ein VW-Werk, das Austauschmotoren herstellt, soviel ich weiß“, sagte sie. „Dort arbeiten auch Ausländer. Vielleicht sollten wir da unsere Nachforschungen beginnen.“
Der Portier am Tor war nicht sehr freundlich.
Er rief aber doch den Personalchef an und zeigte der fünfköpfigen Suchexpedition den Weg in dessen Büro. Hier fanden die Jungen ein offenes Ohr für ihr Anliegen.
„Ja, wir beschäftigen Jugoslawen, das stimmt“, sagte der jugendlich wirkende Mann, „aber wenn ihr den Namen nicht kennt, ist es natürlich sehr schwer, einen bestimmten herauszufinden. Seid ihr denn sicher, daß er bei uns arbeitet?“
„Wir wissen nur, daß er in Kassel arbeiten soll“, sagte Guddel. Seine Braut heißt Christa Klingeberg, hilft Ihnen das weiter?“
„Nur wenn sie bei uns beschäftigt ist, sonst nicht. Moment, ich sehe mal nach.“ Er nahm einen Ordner aus dem Regal und blätterte darin.
„Nein“, sagte er, „tut mir leid. Ich kann euch leider nicht helfen. Aber geht doch mal zur polizeilichen Meldestelle, da könnt ihr die Adresse der Dame ganz bestimmt erfahren. Und wenn ihr die erst gefunden habt, wird sie euch wohl zeigen, wo ihr Verlobter wohnt.“
Tante Hannelore und die Jungen bedankten sich für die Auskunft und verließen die Fabrik.
Ein Polizist wies ihnen den Weg zur Meldestelle.
„Dürfen die uns denn überhaupt Auskunft geben?“ fragte Guddel. „Beamte sind doch immer mißtrauisch und vermuten gleich ein Verbrechen, wenn einer sie was fragt.“
„Wir wollen ja nur die Adresse wissen“, sagte Tante Hannelore, „und nicht, ob jemand vorbestraft ist oder zum drittenmal heiraten möchte. Die wird man uns wohl nennen dürfen.“
Die Dame auf der Meldestelle hörte sich die Erklärungen der jungen Leute ruhig an. Sie stellte auch einige Fragen und verriet, daß sie an dem Unternehmen sehr interessiert war.
„Hoffentlich kann ich euch helfen“, sagte sie zum Schluß. „Wenn eure Christa Klingeberg nämlich illegal hier wohnt und polizeilich nicht gemeldet ist, kann ich nichts für euch tun.“
Sie erhob sich und ging zu einem mehrgliedrigen Karteikartenständer hinüber. Nach kurzem Suchen zog sie eine Karte heraus. Die Jungen machten lange Hälse.
„Klingeberg“, las die Dame, „Gisela, geboren am 3. April 1907 in Hannoversch Münden.“
„Nee, das ist sie nicht“, rief Karl enttäuscht. Wir suchen eine Christa Klingeberg, und die ist bedeutend jünger!“
Die Frau beugte sich wieder über die Karteikarten und zog bald eine zweite Karte heraus.
„Klingeberg?“ fragte sie. „Mit Kilius, Ludwig, Isidor, Nordpol, Gustav, Emil, Berta, Emil, Richard, Gustav?“
„Nein, nein“, sagte Egon. „Mit Klinge wie Messer und Berg wie Zugspitze.“
Die Frau nickte.
„Das könnte sie sein. Christa Klingeberg, geboren am 20. März in Minden.“
„Hurra!“ schrie Karl. „Sie sind eine Wucht! Das ist sie!“
„Sie wohnt in der Goethestraße neunundachtzig“, sagte die Frau, „zur Untermiete bei Familie Emil Lange.“ Sie lächelte ihren Besuchern zu. „Ich wünsche euch viel Erfolg und halte euch die Daumen!“
Die vornehme Frau Lange aus der Goethestraße war sehr ungehalten, als die junge
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