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Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Über-Buch allen menschlichen Mühen voraus sei, bezweifelte niemand, ebenso wenig, dass die Werke der Kirchenväter als Anleitung zur göttlichen Wahrheit unentbehrlich blieben. Zur Schullektüre eigneten sich außer trockenen Grammatikern die christlichen Poeten der Spätantike, zum Beispiel Avitus oder Dracontius. Am besten aber trainierte man sein Latein durch das Studium heidnischer Dichter, allen voran Roms Staatsepiker Vergil, den Karl offenbar sehr schätzte. Auch im Mist seien eben Goldkörner zu finden, lautete die Rechtfertigung Alkuins – der erst dann zu tadeln begann, als sein Schüler Ricbod von Trier in den Hexametern Vergils regelrecht zu schwelgen begann.
    Lorsch, Tours, Saint-Riquier, Saint-Amand, Salzburg, Saint-Wandrille, Lyon: All diese Klosterzentren kamen nach und nach unter die Leitung von Zöglingen aus Alkuins Hofschule. Auch Saint-Denis, Fleury, Orléans und Saint-Aignan zählten zum Netzwerk der Bildung, das auf Karls Befehl allmählich das Reich überziehen sollte. In einem eigenen »Brief zur Pflege des Wissens« munterte der König ausdrücklich zum Studium auf. Welchen Erfolg sein Appell hatte, zeigen noch heute die Schatzkammern großer Bibliotheken Europas: Ohne den erstaunlichen Abschreibe-Eifer karolingischer Mönche wäre von der römischen Literatur nur ein Bruchteil dessen erhalten, was heute bekannt ist. Wertfreie Forschung trieben die Hofgelehrten freilich nicht. Ihre Arbeit diente der »norma rectitudinis«, dem Maß der Ordnung, das nach Karls Willen wie ein Goldstandard des Geistes einheitliche Fundamente christlichen Lebens und damit Tradition und Kultur des Reiches garantieren sollte. Gleich mehrere Großprojekte brachte diese Haltung hervor, jedes von kaum überschätzbarer Wirkung auf die Zukunft.
    Das von Papst Hadrian übersandte Sakramentar Gregors zum Beispiel ließ Karl nicht einfach abschreiben. Alkuin sollte, so schnell es ging, die Texte sorgfältig korrigieren und um einen zweiten Teil erweitern, so dass ein vollständiges Messbuch entstand. Was sich daraufhin als Einheitsliturgie über das ganze Karolinger-Reich verbreitete, wurde zur allgemein verwendeten Grundlage; die römische Kurie akzeptierte den Text, und so beruhen katholische Messbücher bis heute auch auf Alkuins Werk.
    Ebenso dringend nötig war für Bischöfe und Priester ein Handbuch der Bibelauslegung. Mit dieser Arbeit beauftragte Karl Paulus Diaconus, einen der faszinierendsten Intellektuellen seiner Zeit. Paulus war Langobarde – nicht irgendeiner, sondern der intellektuelle Star seines Volkes. Am Königshof in Pavia hatte er früh in Rechtskunde und Theologie geglänzt. Dann war er ins Stammkloster der Benediktiner, die Abtei Monte Cassino, eingetreten. Eine Grammatik, eine Geschichte Roms und Dichtungen entstanden dort. Nach Karls endgültigem Sieg über die Langobarden hatte Paulus unerschrocken ein Bittgedicht verfasst, um seinen Bruder aus der Gefangenschaft zu erlösen; er war dafür sogar persönlich vor dem neuen starken Mann erschienen. Der ließ auch wirklich mit sich reden, allerdings um den Preis, dass Paulus für ihn tätig werde. Es war einer von Karls klügsten Schachzügen: Die Atmosphäre am fränkischen Hof riss den anfangs skeptischen Gelehrten mit. Flugs schrieb er eine Historie der Metzer Bischöfe, in der sich ein dickes Lob der Sippe Karls verbarg, und begann danach sein heikles Hauptwerk: die Geschichte des eigenen Volkes, der Langobarden. Fortan stand er in Monte Cassino zu Karls Verfügung. Die Bibeldeutungen, die Paulus Diaconus in Karls Auftrag zusammenstellte, waren ein Extrakt der einprägsamsten Stellen aus den Kirchenvätern – er solle »wie in blumenreichen Wiesen die schönsten Blüten auslesen«, hatte der König verlangt, und »alles Brauchbare gleichsam in einen Kranz flechten«. Die Sammlung hatte so durchschlagenden Erfolg, dass noch immer zentrale Partien des katholischen Breviers, des Stundengebets, auf ihr beruhen.
    Mit dem gewaltigsten Pensum allerdings betraute Karl zwei Experten in engerer Nähe. Es ging um nichts Geringeres als eine verlässliche Fassung der Bibel; diese christliche Herkulesarbeit sollten Alkuin und Theodulf verrichten. »Emendieren«, also von Fehlern befreien, darauf kam es Karl wie überall, so auch hier, an, und die Wissenschaftler nahmen ihre immense Aufgabe sehr ernst. Vor allem Theodulf erwies sich als vorbildlich akribischer Philologe: Unterschieden sich mehrere Versionen des Textes, merkte er die Abweichung an und

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