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Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Karl der Große: Der mächtigste Kaiser des Mittelalters - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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markierte sie mit »s« für spanische, »h« für hebräische und »al« für »alii« (andere) Lesarten. Alkuins konkurrierende Fassung war mit »a« gekennzeichnet. Zudem ergänzte Theodulf das heilige Buch durch einen Anhang mit Zeittafel, Erklärungen seltener Begriffe und kommentierenden Hinweisen. Trotz dieser verblüffend modern anmutenden Mühen setzte sich die Textredaktion Alkuins durch. Das lag vor allem an den fleißigen Abschreibern des Klosters Saint-Martin in Tours, das der Northumbrier seit 796 als Abt zu einer Bildungsstätte ersten Ranges geformt hatte. Aber Alkuin hatte auch Instinkt für den großen Moment bewiesen: Es war ihm gelungen, dass Karl seine Bibelausgabe pünktlich zur Kaiserkrönung am Weihnachtstag 800 in Rom überreicht bekam.
    Noch etliche weitere Projekte nahmen die Experten um Karl in Angriff; so destillierte ein gewisser Wigbod aus acht Kirchenvätern einen Kommentar zu den ersten Büchern des Alten Testaments, wieder pädagogisch hilfreich in Schülerfragen und Lehrerantworten gegliedert. Alkuin, der Cheforganisator, hatte schon ziemlich recht, wenn er fröhlich erklärte, König Karl habe einen regelrechten Stab von »Akademikern« zur Verfügung.

Ein Schreiber – vielleicht der heilige Beda – an seinem Arbeitspult. Illustration einer Handschrift aus dem späten 12. Jahrhundert
    British Library/AKG

Ein Forschungszentrum, gar ein »Princeton« der Karolingerzeit – wie der flinke Kulturhistoriker Peter Godman einmal geschrieben hat –, war die Hofschule allerdings kaum. Sicher aber ist, dass Entdeckerfreude einzog, dass der Regent immer wieder selbst Fragen stellte und eine erstaunlich offene Gesprächskultur begünstigte. Da holte sich »David« (Karl) zum Beispiel Auskunft von »Flaccus« – Alkuin hatte den Namen des römischen Dichters Horaz geborgt. »Homer« (Angilbert von St. Riquier) konnte sich mit »Macharius« (dem Vergil-Verehrer Ricbod von Trier), »Aaron« (Erzkaplan Hildebald von Köln) oder »Antonius« (Abt Adalhard von Corbie, Karls Vetter) beraten. Auch Damen des Hofes, zum Beispiel Karls Schwester Gisela, seine Tochter Rotrud und seine Nichte Guntrada traten unter den Namen Lucia, Columba und Eulalia in Erscheinung. Der Poet Modoin – selbst als »Naso« dem römischen Versvirtuosen Ovid gleichgestellt – feierte Karl als großen Zivilisator: »Rom, das goldene, kehrt erneuert zurück in den Erdkreis.« Alkuin wiederum verkündete in Anspielung auf den wichtigsten Studienort der Antike, im Frankenreich könne ein »neues Athen« entstehen – weitaus strahlender noch als das ursprüngliche, da ja nun das Christentum herrsche.
    Richtig ist auf jeden Fall, dass Karls aus ganz Westeuropa zusammengezogene Fachleute dank ihrer Kontakte und systematischen Recherchen einen Text- und Bücherfundus zur Verfügung hatten, wie er seit Jahrhunderten nicht mehr beisammen gewesen war. So enthält eine Werkliste, die den Bestand der Hofbibliothek erahnen lässt, praktisch alle wesentlichen Dichter Roms – laut Bernhard Bischoff, dem großen Kenner karolingischer Handschriften, ein für die Epoche »unerhört« reichhaltiges Sprach- und Geistesreservoir.
    Alte Texte schärften nicht nur das Stilgefühl. Mindestens ebenso wichtig war für Karl das Vorbild Roms in Rechtsfragen. Er veranlasste, dass die Gesetze aller Stämme und Völker, über die er herrschte, schriftlich zusammengetragen würden. Zugleich sollten auch die heidnisch-wilden, archaischen Erzählungen und Lieder aus germanischer Frühzeit gesammelt werden, schreibt Karls Biograf Einhard, »barbara et antiquissima carmina« über Taten und Kriege früherer Herrscher.
    Leider ist vom Resultat dieser Anstrengungen – wenn es überhaupt eins gab – nichts überliefert. Nur 68 Stabreimverse einer urtümlichen Kriegersage blieben eher zufällig erhalten: Die polternden Dialekt-Ungetüme gelangten im karolingisch geprägten Kloster Fulda auf die Deckblätter einer Handschrift, wohl im ersten Drittel des 9 . Jahrhunderts. Diese verstümmelten Reste vom »Hildebrandslied«, einer tragischen Geschichte über den Kampf zwischen Vater und Sohn, geben zumindest eine schwache Ahnung, was Karls Bildungskundschafter alles interessiert haben könnte.
    Umso deutlicher ist seit einigen Jahren ein anderer Teil von Karls umfassender Initiative zur Sicherung, Ordnung und Mehrung des Wissens bekannt: die Vereinheitlichung des Kalenders. Jahrzehntelang untersuchte der Konstanzer Historiker Arno Borst ( 1925 bis 2007 )

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