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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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Griechen festsetzen lassen. Nicht der Sklavenhandel als solcher sollte unterbunden werden, sondern daß Christen Christen an Nichtchristen verkauften. Hunger hätte jene Armen getrieben, sich feilzubieten; einige hätten sich aus Not freiwillig den griechischen Sklavenhändlern übergeben[ 22 ].
    Schutz der Armen also und Abwendung von Byzanz gingen hier Hand in Hand. Diese Griechen freilich, die mit den Sarazenen Handel trieben, dürften aus Sizilien oder Süditalien, nicht aus Konstantinopel gekommen sein. Daß Häfen in Gallien, Marseille oder Narbonne, das erst 759 von den Muslimen zurückerobert worden war, angelaufen wurden, läßt sich nicht erweisen. Die Handelsverbindung, die Konstantinopel mit dem Westen verband, übernahm eben in der Zeit Karls des Großen neben Neapel oderAmalfi zunehmend Venedig, dessen Aufstieg nun begann. Sklavenhandel dürfte auch den Franken vertraut gewesen sein, auch wenn kein unmittelbares Zeugnis dazu vorliegt[ 23 ].
    Allein jüdische Fernhändler reisten um die halbe Erde; sie vermittelten zwischen den Kontinenten von China bis ins Reich der Franken und nach Spanien. Die letzten Spuren des antiken römischen Welthandels zeigten sich hier. Die Radhaniten – so hießen diese Kaufleute – besaßen klare geographische Vorstellungen und sollen, so wußte der arabische Chronist Ibn Khordadhbeh im späteren 9. Jahrhundert, die Welt von Westen nach Osten und von Osten nach Westen durchzogen haben; sie waren polyglott, sollen Arabisch, Persisch, «Römisch» (d.h. Griechisch und/oder Lateinisch), Fränkisch, Spanisch und Slawisch gesprochen haben. Aus dem Westen hätten sie Sklaven und Sklavinnen, Knaben, Brokat, Rizinus, Felle und Schwerter geholt.
    Ihre Wege beschrieb Ibn Khordadhbeh genau: Zu Schiff aus dem Frankenreich oder auch von Spanien über Tanger mit Karawanen Nordafrika entlang bis Suez, von dort zu Schiff nach Indien und China, so lief die Handelsroute nach dem Osten. Von dort hätten die Radhaniten Moschus, Gewürze, Aloe, Zimt und andere Produkte des Orients importiert; Seide wurde, wie es scheint, nicht erwähnt. Die Heimkehrer hätten von Ägypten aus Konstantinopel, Antiochia und – über Land – Bagdad erreicht und von dort aus den Persischen Golf; auch den Palast des Königs der Franken hätten sie aufgesucht. Das Land der Slawen und Chasaren hätten einige von ihnen bereist; von dort seien sie ebenfalls über die nördliche Seidenstraße bis nach China vorgedrungen.
    Rätselhaft ist der Name dieser «Radhaniten» (ar-Rhadâniya, Radhanim), ungewiß, wo diese Fernhändler ihren Heimatsitz hatten. Die Deutungsvorschläge weichen weit voneinander ab; sie verweisen auf Ragha in Persien, auf Radhan, einen Vorort von Bagdad, auf den Namen der Rhone und manche Autoren vermuten deshalb die Radhaniten an Maas und Rhone zu Hause[ 24 ]. Gewißheit ist einstweilen nicht zu gewinnen. Doch läßt der Chronist ohne Beachtung der Religionsunterschiede die Wege der Kauffahrer regelmäßig im Westen, im Frankenreich und in Spanien, beginnenund dorthin zurückkehren. Vielleicht versteckt sich darin ein Hinweis auf ihre Herkunft. Bildeten sie eine Art «internationale» Handelsgesellschaft? Vielleicht kennen wir einen von ihnen mit Namen, Isaak nämlich, jenen jüdischen Kaufmann, den Karl der Große im Jahr 797 nach Bagdad sandte, und der dann drei Jahre später (auf dem von Ibn Khordadhbeh beschriebenen Weg über Nordafrika) den Elefanten Abul Abaz zurückführte. Karl hätte sich eines Wissens bedient, das seinem Hof abging. Denn das exakte geographische Wissen dieser Radhaniten blieb den Franken und lateinischen Christen – anders als den Ländern des Islam – nach Ausweis der Überlieferungen verborgen. Es verriet freilich auch keine Interna der vielen Herrschaften, die sich von China bis Spanien erstreckten.

2

Fernes Byzanz und noch fernerer Dâr al-Islâm
    ie Umwelt des Frankenreiches mußte, seitdem dort die Karolinger herrschten, gleichsam vom König und seinen Eliten neu erkundet, irgendwie neu erfunden werden. Es geschah in Auseinandersetzung mit der sich wandelnden Realität. Doch zeitigte es – vielleicht von den angelsächsischen Königreichen abgesehen – keine umfassende Kenntnis der fremden Reiche und kein sonderliches Bedürfnis, sie zu erforschen, gar zu beschreiben. Deren Leistungen und Schwierigkeiten im Innern und nach außen wurden am Hof Pippins und seines großen Sohnes – soweit die verfügbaren Zeugnisse ein Urteil erlauben – kaum wahrgenommen.

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