Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
zwei Söhne: Karl und Karlmann. Eine gleichartige, die politischen Hintergründe des Zeitgeschehens einfangende Notiz über Ostrom findet sich in keinem fränkischen Annalenwerk.
Im Wissen also, was sich im Westen abspielte, wandte sich Konstantin an den Karolinger. Pippin lehnte das kaiserliche Ansinnen ab, Ravenna und die Städte des Exarchats, die Aistulf erobert undder Franke dem hl. Petrus hatte restituieren lassen, wieder der kaiserlichen Herrschaft zu unterstellen. Der Basileus mußte es in seiner Machtlosigkeit hinnehmen. Um nicht allen Einfluß in Italien zu verlieren, ging er ein Freundschaftsbündnis mit dem Barbaren ein. Pippin mochte darin die Anerkennung seines Königtums erkennen, die Rhomäer handelten eher in Fortsetzung römischer Traditionen, die in den «Freunden» minderrangige, abhängige Herrschaftsträger sahen[ 32 ]. Immerhin könnte der Frankenkönig sich auf einen Tauschhandel eingelassen haben: das Exarchat nämlich für die beschlagnahmten päpstlichen Patrimonien auf Sizilien[ 33 ].
Das selbstbewußte und machtvolle Eingreifen des Karolingers südlich der Alpen und seine beunruhigende Übereinkunft mit dem Patriarchen des Westens, die Zuweisung des Exarchats, der Pentapolis, Tusziens, Spoletos und anderer italienischer Provinzen an denselben und nicht zurück an Ostrom, das alles mußte den Basileus in Unruhe versetzen. Konstantin V. bot später, als sich die Folgen der «Pippinischen Schenkung» auszuwirken begannen – vielleicht um 766/67 –, dem Franken ein Ehebündnis an, dessen Zweck wohl gleichfalls ein Widerruf dieser Schenkung darstellte. Der Kaiser warb nun für seinen Sohn Leon um Pippins Tochter Gisela[ 34 ]. Pippin lehnte abermals ab. Vielleicht fiel die Entscheidung auf der Synode von Gentilly, die zu Beginn des Jahres 767 tagte, und an der byzantinische und päpstliche Gesandte teilnahmen. Man stritt sich über «die heilige Trinität und die heiligen Bilder»; vielleicht fochten die Franken damals schon für ihr Glaubensbekenntnis, das den Heiligen Geist nicht nur vom «Vater», sondern auch vom «Sohn» seinen Ausgang nehmen ließ[ 35 ]. Genaueres ist freilich unbekannt. Vermutlich aber suchte die griechische Seite das bilderfeindliche Konzil von Hiereia im Jahr 754 zu rechtfertigen, was den lebhaftesten Widerspruch Altroms mit seinem lebendigen Ikonenkult herausfordern mußte. Die Franken begannen, sich ins Mächtespiel am Mittelmeer hineinzudrängen.
Da trafen zwei höchst unterschiedliche christliche Welten aufeinander, die einander immer weniger verstanden und einander skeptisch und mißtrauisch beargwöhnten. Fremdartige Eindrücke irritierten die Franken. Die byzantinische Diplomatie, die antike,griechisch-römische Tradition fortsetzte, erschien ihnen suspekt, wie verschlagenes Lügnertum. Sie ziehen die «Griechen» immer wieder der Arroganz und übelster Machenschaften. Die bald in den Vordergrund tretenden theologischen Differenzen hinsichtlich des Glaubensbekenntnisses und der Bilderfrage ergänzten die sich häufenden Vorurteile.
Pippins Antwort an Konstantin erging nicht nur der Bilderfrage wegen[ 36 ]. Sie war vielmehr eine Devotionserklärung für den hl. Petrus; Revisionen zugunsten Ostroms wurden ausgeschlossen, der Ehewunsch abgeschlagen. Da erlosch die Freundschaft mit Byzanz so rasch, wie sie geschlossen war. Pippins Sohn Karl mochte schon damals, kurz bevor er die Nachfolge seines Vaters antrat, die dogmatische Unzuverlässigkeit der Griechen und die Notwendigkeit, aber auch die Möglichkeit erkannt haben, ihnen im Bunde mit Rom erfolgreich Widerstand entgegenzusetzen. Er konnte sogar nach wenigen Jahren, durch keine diplomatischen Rücksichten behindert, das bislang byzantinische Istrien seinem Reich integrieren (778). Erst im Jahr 781 besserten sich für wenige Jahre die Ost-West-Beziehungen wieder; abermals ging die Initiative von Konstantinopel aus, abermals endete sie ohne Erfolg.
Karls Gesandte lernten Konstantinopel und seinen Kaiserpalast kennen. Sie kamen schwerlich aus dem Staunen heraus, obgleich kein zeitgleicher Zeuge ihre Eindrücke beschrieb und sie in negativer Inversion den höfischen Pomp verachteten. Kein fränkischer Bericht über Konstantinopel zu Zeiten Karls blieb erhalten. Das Geschehen dort stieß mit seinen fremdartigen Ritualen und Liturgien eher ab, als daß es zur Nachahmung lockte. Doch der sagenhafte Reichtum der Rhomäer, die römische Tradition, die dort noch lebendig war, die feine Lebensart, die sie
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