Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
mehr oder weniger strenge Ablehnung der Bilder, der Ikonoklasmus[ 28 ]. Er war mit internen Machtkämpfen verknüpft und konnte sich auf Dauer nicht durchsetzen. Bald kehrte der Bilderkult zurück, der in den Randprovinzen des Reiches ohnehin zu keiner Zeit überwunden war.Karl der Große wird gegen vermeintliche Auswüchse des wiedererstarkten Kultes den Scharfsinn seiner Gelehrten aufrufen.
Gerade in der Stadt Rom hatte die Bildverehrung eine lange Tradition[ 29 ]. Eine Reihe ehrwürdiger, noch heute existenter Ikonen zeugt davon: die Marienikone des Pantheon aus dem 6. oder frühen 7. Jahrhundert, die kaiserinnengleiche «Madonna della Clemenza» in Trastevere aus dem frühen 8. Jahrhundert, die aus S. Maria Antiqua nach der gleichfalls am Forum Romanum gelegenen S. Francesca Romana überführte Ikone des 7. Jahrhunderts, die
Maria Advocata
(Madonna von S. Sisto: Abb. 47) in S. Maria del Rosario, die Marienikone
Salus populi Romani
bzw. ihre Vorlage in S. Maria Maggiore oder die
Achiropiite
, die Christusikone der päpstlichen Privatkapelle, der
Sancta Sanctorum
im Lateran.
Kirche und Volk verehrten diese Bilder. Legenden rankten sich um sie. Lampen oder Kerzen brannten vor ihnen. Sie wurden in Prozessionen durch die Straßen getragen. Gaben privater oder kirchlicher Stifter, wurden sie in den öffentlichen Kult einbezogen. So hieß es in der Vita Stephans II., eben jenes Papstes, der Pippin und seine Söhne salbte, er habe die Bittprozession zur Abwehr der langobardischen Belagerung «mit dem heiligsten Bild des Herrn, unseres Erlösers Jesus Christus, das man die
Achiropsita
nennt», angeführt und die Tafel gemeinsam mit anderen Klerikern auf seinen Schultern vom Lateran zur S. Maria ad Praesepe (S. M. Maggiore) getragen, um dort, das Haupt mit Asche bestreut, zum Herrn um Hilfe zu flehen[ 30 ]. Die Ikone diente geradezu als Unterpfand göttlicher Hilfe. Diese Salvatortafel wurde jährlich zu Gründonnerstag an den Stellen der Wundmale Christi mit geweihtem Öl gesalbt. Karl der Große dürfte die Zeremonie wenigstens einmal erlebt haben. Heute ist auf der Tafel ob der jahrhundertelangen Verehrung freilich nichts mehr zu erkennen; allein hochmittelalterliche Nachahmungen wecken eine Ahnung dessen, was einst zu sehen war[ 31 ].
Die lateinische Kultur in Konstantinopel versank nach Justinian völlig im Griechentum. Keine lateinischen Texte waren mehr verbreitet, kein Cicero, kein Horaz, kein Tacitus, kein Augustinus oder Hieronymus. Dafür aber las man Platon und Aristoteles, Origenes und die anderen griechischen Kirchenväter. Auch medizinischeSchriften wie das umfangreiche Werk Galens oder des Hippokrates kursierten. Überhaupt antike Texte wie Homers «Ilias» und «Odyssee» wurden in Byzanz gerettet, die Historiker Herodot oder Thukydides. Technisches Wissen fehlte nicht. Noch leistete man sich die teure Kriegsflotte. Doch zunehmend hatten sich seit Justinian Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur auf Konstantinopel konzentriert. Gold, Seide, Reichtum häuften sich am Bosporus; alle Handelsströme waren nach der Kaiserstadt ausgerichtet. Die Kehrseite solchen Glanzes war die Vernachlässigung der Provinzen in jeder Hinsicht: politisch, wirtschaftlich, kulturell. Da half es auch nicht, daß die Fernbeziehungen der Griechen nach Innerasien und Persien reichten. Die katastrophalen Folgen der Eingrenzung traten zu Tage, als die Araber zu ihren Eroberungszügen aufbrachen.
Aufmerksam hatte der Kaiser Konstantin V. die Entwicklung im Westen beobachten lassen. Es mag erstaunen, wie genau seine Informationen waren. Der Chronist Theophanes, der zu Beginn des 9. Jahrhunderts, um 810/13, die Federn wetzte, verfügte über eine Notiz, die er zwar zum falschen Jahr 6216 AM (723/24 CE) einordnete, die aber präzis das Geschehen umriß: Den Angriff des langobardischen Königs Aistulf, die «Flucht» des Papstes Stephan II. zu den Franken und ihrem Maiordomus Pippin, der tatsächlich die Macht innehabe, während ihr König untätig zu Hause sitze, esse und trinke und bloß am 1. Mai sich dem Volke zeige, Geschenke tausche und wieder nach Hause eile. Diese Könige hießen die «Langhaarigen», weil sie ihr Haupthaar den Rücken herunter wachsen ließen – «wie Schweine». Diesem Pippin nun, der – so Theophanes in Verwechslung von Sohn und Vater – die Araber an der Loire geschlagen habe, habe Stephan die Königsmacht verliehen, den einstigen König aber zum Mönch scheren lassen. Pippin habe
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