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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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Heimat,
    mit Grüßen sei zu Freunden hingesandt.
    Mein Leib verweilt, du siehst es, hierzulande;
    mein Herz und seine Lieben weilen dortzuland.
    Die Trennung wurde unser Los, wir mußten scheiden;
    die Trennung hat den Schlaf aus meinem Aug gebannt.
    Gott hat uns diese Trennung anbefohlen;
    vielleicht kommt auch ein Wiedersehn aus seiner Hand».
    Allah verwehrte es; allein diese und andere Verse des Vertriebenen durften bleiben[ 42 ]. Doch sein Land, al-Andalus, wurde ein Land blühender arabischer Kultur. Wasser, Holz und Energie standen überreich zur Verfügung; dazu kam das noch vorhandene Wissen der «Römer», Goten, Christen, Juden. Das alles vereinte sich mit den «Gaben», dem kulturellen Kapital, das die Araber mit ins Land brachten. Gerade auch Christen und Juden lauschten den Geschichten der Araber, folgten immer bereitwilliger dem Vorbild der Muslime, deren Dichtungen in ihrer Schönheit und Vollkommenheit die Poesie der Lateiner damals nichts Vergleichbares zur Seite zu stellen hatte. Kurz vor seinem Tod begann ‘Abd-ar-Rahmân I. den neuartigen, architektonisch kühnen Bau der wundervollen Moschee von Córdoba, und blühende Gärten schmückten seine Residenz am Guadalquivir. Den Kalifentitel freilich nahmen seine Nachfahren erst im 10. Jahrhundert an.
    Gegen diesen letzten Umayyaden nun suchte der Abbasiden-Kalif al-Mansûr, Thronräuber, der er war, Verbündete; das lenkte seine Blicke auch nach Norden, dorthin, wo nahezu gleichzeitig der Umsturz gegen die regierende Dynastie der Merowinger erfolgt war[ 43 ]. Die Franken hatten zudem den Erfolgen der Muslime Einhalt geboten und begannen nun, zum Gegenangriff zu rüsten. Vermutlich schickte al-Mansûr zu Pippin eine Gesandtschaft, die am fränkischen Hof im Jahr 764 oder 765 eintraf[ 44 ]; der König beantwortete sie umgehend. Die ausgetauschten Botschaften finden sich nicht überliefert. Eine neuerliche Gegengesandtschaft des Kalifen drei Jahre später, die wahrscheinlich wie wohl auch die vorangegangene von Christen geführt wurde, kam mit reichen Geschenken[ 45 ]. Offenbar hatte der Karolinger eine freundliche Antwort erteilt. Ob der karolingische Hof bei Gelegenheit dieser Gesandtschaften die eigenen kulturellen Defizite und seine Rückständigkeit zu spüren bekam; ob diese Erfahrung als Stachel im Fleisch der eigenen geistigen Kultur blieb und reizte und zum Aufholen drängte? Ob der jugendliche Karlderartiges empfunden hat? Nachzuweisen ist es nicht, denkbar aber allemal. Karl war nicht blind für das Wissen der Fremden.
    Noch freilich war es zu früh für ein Vorgehen der Franken gegen die umayyadische Herrschaft in Spanien. Erst unter Karl dem Großen konnte es geschehen. Die Gesandtschaften der Byzantiner und der Araber verdeutlichten jedoch, daß im östlichen Mittelmeer die Veränderungen des Westens nicht bloß wahrgenommen wurden, vielmehr Reaktionen hervorriefen und eigenen Zielen nutzbar gemacht werden sollten. Ein gleichartiges diplomatisches Geschick fehlte auf fränkischer Seite. Immerhin, das Frankenreich wurde durch diese Vorgänge aus seiner Randseitigkeit wieder in die großen Geschehnisse der Mittelmeerwelt hineingezogen.
    Was immer Kaufleute, Pilger oder die auch damals nicht fehlenden Grenzgänger über die Muslime erfahren haben mochten, es kam gegen die feindseligen Vorurteile, die im Westen kursierten, zunächst nicht an. Aufklärung war nicht gesucht; der dennoch nicht fehlende interkulturelle Austausch vollzog sich unterschwellig, schleichend, nicht absichtsvoll. Entsprechend mangelte es dem Westen für lange Zeit an korrekten Informationen über den Islam und die Länder im «Haus des Islam», wie überhaupt über jede fremde Religion. Es fehlten analytische Muster für die Auseinandersetzung mit fremden Kulten und Kulturen. Sie entwickelten sich erst mit der Zeit. Biblische Hinweise duldeten keine fremden Götter und verwarfen jede verstehende und jede teilnehmende Begegnung. Die Religion der anderen war gerade das differenzierende, einander ausschließende, Feindschaft stiftende Moment.
    Pippins Sohn Karl erbte mit dem Reich auch das Ansehen seines Vaters im Westen wie im Osten. Doch als er seit den frühen 780er Jahren die Beziehungen zu Konstantinopel und gegen Ende des Jahrhunderts zu Bagdad wiederaufnahm, hatte sich die Lage völlig verändert. Der Frankenkönig hatte sich selbst zum König der Langobarden aufgeschwungen, sein Reich weit über Rom hinaus nach Süditalien, bis an die Grenzen zu Kalabrien und

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