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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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dessen Areal die für Konstantins Palast geltenden Ruinen gefunden wurden, erkennbar sind noch die Ruinen der antiken Wasserleitung, der Aqua Claudia, am oben rechten Bildrand ist die Kirche der SS Quattro Coronati eingezeichnet. Von den Erweiterungsbauten des Papstpalastes und dem Hospital abgesehen, entspricht der Gesamteindruck noch der Konstellation zur Zeit Karls des Großen.
    Der «Liber Pontificalis» hielt alles fest, auch die rätselhafte, weil in ihrer Herkunft und Bedeutung dunkle Grenzlinie im Norden, den Raum des künftigen «Kirchenstaates» und mehrals diesen, um den es in den kommenden Jahrhunderten so viel Streit geben sollte:
a Lunis cum insula Corsica, deinde in Suriano, deinde in Monte Bardone, id est in Verceto, deinde in Parma, deinde in Regio; et exinde in Mantua atque Monte Silicis, simulque et universum exarchatum Ravennantium, sicut antiquitus erat, atque provincias Venetiarum et Istria; necnon et cunctum ducatum Spolitinum seu Beneventanum
. («Von Luni mit der Insel Corsica nach Suriano, nach dem Monte Bardone (Cisa-Pass), nämlich nach Berceto, von dort nach Parma, weiter nach Reggio, und nach Mantua und Monselice (bei Padua) zugleich mit dem gesamten Exarchat Ravenna, wie es früher war, sowie die Provinzen Venezien und Istrien, dazu den gesamten Dukat Spoleto und Benevent»). Der erste Teil beschrieb wohl den Verlauf einer Straße, ob als Grenzlinie, ist unklar, der zweite aber Provinzen. Rätselhaft ist das Ganze, denn der römischen Kirche stand ursprünglich nichts davon zu.
    Mit eigener Hand habe Karl die Urkunde unterfertigt und alle Bischöfe, Äbte, Herzöge und Grafen hätten sie gezeichnet. Ein Exemplar wurde auf dem Altar des Apostelfürsten unter das Evangelienbuch gelegt, ein zweites in der Confessio, dem Gebetsraum unmittelbar beim Apostelgrab, deponiert. Eidlich hätten sich alle beteiligten Franken mit Einschluß des Königs dem hl. Petrus und seinem Stellvertreter, dem Papst Hadrian, verpflichtet, das Schenkungsversprechen (
donationis promissionem
) einzuhalten. Ein drittes Exemplar dieser erneuerten Promission sei endlich für das päpstliche Archiv bestimmt gewesen.
    Erhalten hat sich keines von ihnen[ 46 ]. Realisiert wurde das Versprechen in herrschaftsrechtlichem Sinn ebensowenig, jedenfalls nicht von Karl und nicht in dem angegebenen Umfang. Die fränkischen Zeugnisse übergingen ohnehin das ganze Geschehen; auch die sog. «Reichsannalen», hofnah wie sie waren, schwiegen sich aus über das Geschehen in der ewigen Stadt[ 47 ]. Sie begnügten sich mit einer lakonisch knappen, nichtsdestotrotz aussagekräftigen, mit einer geradezu von Routine geformten Notiz: Der König habe «Ostern in Rom» gefeiert und sei von dort zur Belagerung Pavias zurückgekehrt. In Rom – nicht anders als in einer seiner fränkischen Pfalzen.
    Ob solche Kürze einen erst nachträglich erhobenen Herrschaftsanspruch bekundete oder schon Karls Intentionen im Jahr 774 tradierte, sei dahingestellt. Offenkundig wollte Karl aber um 790, als die «Reichsannalen» komponiert wurden, jeden Hinweis auf die «Pippinische Schenkung» und ihre Begleitumstände, die nun Karls Schenkung war, ja, schon jeden Anlaß für dieselbe vermieden wissen. Auch Einhard überging die «Schenkung», deren Urkunde auch ihm nicht vorlag. Doch das Wissen um den Erneuerungsakt blieb lebendig, festgeschrieben im «Liber Pontificalis» und noch im 16. Jahrhundert wurde (von der Hand Taddeo Zuccaros) an einer Wand der «Sala Regia», dem repräsentativen Empfangssaal im vatikanischen Palast, ein Karl vergegenwärtigt, der ein Diplom unterschrieb, das schon seit Jahrhunderten nicht mehr existierte[ 48 ].
    Die Sorgen des Papstes aber manifestierten sich in seinen Maßnahmen nach des Königs Abzug. Er betete und stiftete nicht nur für den Karolinger[ 49 ]. Fortan datierte er seine Urkunden nicht mehr nach den römisch-byzantinischen Kaiserjahren, sondern «unter der Herrschaft Jesu Christi» nach seinen eigenen Pontifikatsjahren. Er wollte deutlich machen, wer der Herr Roms sei. Auch ließ Hadrian Münzen schlagen, die auf dem Avers nicht mehr das Kaiserbild schmückten, sondern seinen eigenen Namen
Hadrianus papa
oder gar ein Brustbild seiner selbst mit der umlaufenden Legende
Dominus noster Adrianus papa
. Gewiß, Hadrian prägte nicht in Gold, keine kaiserlichen
Solidi
. Dennoch verkündeten auch die Silbermünzen das Programm der Unabhängigkeit vom Kaiser – und vom Frankenkönig. Ja, der Papst ließ erstmals – wie

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