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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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dann seit dem Hochmittelalter so oft – die Waffen ergreifen und in Abwehr – wie er Karl wissen ließ – eines Vorstoßes des Herzogs Arichis von Benevent Terracina erobern[ 50 ]. Doch der «Liber Pontificalis» schwieg fortan über weltliche Belange der römischen Kirche. Die dem Karolinger geöffneten Tore der ewigen Stadt und der mit seinem Zug ins Zentrum des konstantinischen Rom offenkundige Herrschergestus des Frankenkönigs ließen seinen Autor verstummen und nur noch für geistliche Aktivitäten des Papstes zur Feder greifen.
    15 Münze Hadrians I. (Fitzwilliam Museum, Cambridge)
    Auch Karl schwieg über die Entwicklung in Rom, wenn auch nicht völlig. Er kehrte nach den österlichen Tagen und etwa vier oder fünf Wochen Abwesenheit zur Belagerung Pavias zurück. Wer diese Stadt beherrschte, die sich nach neunmonatiger Belagerung endlich ergab, war Herr des Langobardenreiches. Der Karolinger schwang sich – anders als sein Vater – nun selbst zu dessen König auf. Er hatte es vermutlich so geplant, seitdem er die Königstochter, seine Gemahlin, verstoßen hatte. Anders auch als der Vater betonte er nunmehr die Zuordnung Roms zu seiner Herrschaft. Künftig hieß er: «König der Franken und Langobarden und Patricius der Römer». Was immer
patricius
zuvor bedeutet haben mochte, jetzt war es ein Herrschaftstitel. So wie Karl als König über Franken und Langobarden herrschte, so herrschte er als Patricius über die Römer.
    Die Besiegten traf ein tristes Los. Desiderius und seine Gemahlin Ansa nahm der Sieger mit sich ins Frankenreich und steckte sie in uns unbekannte Klöster, dazu die Königstochter ohne Namen – seine verstoßene Gemahlin[ 51 ]. Haß, nur Haß konnten die Augen der Gedemütigten bekunden, als die Blicke sich trafen. Italiens Norden und Mitte war in die fränkische Herrschaft integriert, auch wenn in den folgenden Jahren 775 und 776 noch Cividale im Friaul und Treviso erobert werden mußten und weiterhin Aufstände drohten und der Papst symbolisch seine eigene Hoheit zu wahren trachtete.

8

Was brachten die Kriege?
    as war das Ziel, das der König mit seinen Kriegen verfolgte? Allein die Ausweitung der Christenheit am Ende der Zeiten? Bei aller Gläubigkeit des Königs, man mag es kaum annehmen wollen.Auch weltliche Gesichtspunkte kamen hinzu. Karl war ein Kriegskönig wie alle frühmittelalterlichen Könige, wie sein Vater und wie die langobardischen Könige ebenfalls. Es entsprach seiner Erziehung, dem verpflichtenden Ideal eines Königs. Kriegerische Erfolge sollten ohne Zweifel und mußten die karolingische Revolte gegen die Merowinger, die Gewaltaktionen gegen nächste Verwandte vergessen lassen und die eigene Königsherrschaft sichern. Sie war anfänglich – so legt es etwa die «Clausula de unctione Pippini» von 767 nahe – keineswegs so gefestigt, wie die vergleichsweise späten Zeugnisse der durchweg hofnahen Geschichtsschreibung vorspielen möchten. Der junge Karl war geradezu zum Erobern verdammt; er mußte sein Reich ausweiten, um sich wahrhaft als König zu erweisen und sein Gefolge angemessen entlohnen zu können. So zog er Jahr für Jahr in den Krieg. Mit jedem Erfolg aber wurde er tiefer in das Machtgefüge der Mittelmeerwelt hineingezogen.
    Eine egalisierende Einheit, die das gesamte Karlsreich erfaßte, lag freilich nicht in Karls Sinn. Sachsen und Baiern blieben eigene Völker und Länder, die Langobarden ein eigenes Königreich; in Aquitanien schien sogar der Prozeß einer eigenen Nationsbildung eingeleitet zu sein. Die Sprachen, die Volksrechte, Lebensformen und Gewohnheiten, ihr Erb- und Eherecht trennten die Völker nach wie vor. Die erfolgreichen Kriege addierten nur fremde Länder und Völker, sie verschmolzen sie nicht zu einem homogenen karolingischen Herrschaftsverband. Gleichwohl fehlten integrative Momente nicht. Karl selbst muß sie gewünscht haben. Noch bevor die Unterwerfung der eroberten Gebiete beendet war, schickte er seine Leute in die eroberten Gebiete, um dort seine Herrschaft zu sichern. Dieser ‹Personenschub› wirkte bis in die kommenden Jahrhunderte.
    In Italien begegnet etwa im 11. und vereinzelt im 12. Jahrhundert eine
vivente-lege-
Formel, die anzeigt, nach welchem Volksrecht die betreffende Person lebt. Franken, Alemannen und Baiern sind durch sie südlich der Alpen bezeugt. Auch nach Sachsen gelangten Franken, wie umgekehrt Sachsen nicht nur in fränkische Gebiete deportiert wurden, vielmehr auch im Königs- oder Kirchendienst

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