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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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den Papst in der Kreuzkapelle des Baptisteriums beiwohnte (vgl. Abb. VIII). Endlich zog er gemeinsam mit Hadrian zur
Basilica Constantiniana
, die seit jeher dem Erlöser und dem Apostel Johannes geweiht war, zur Bischofskirche des römischen Pontifex, die Konstantin gestiftet hatte[ 34 ]. Dort, inmitten Roms, das kein König der Langobarden je hatte betreten dürfen und wo auch sein Vater nie geweilt hatte, verrichtete er, der Franke, sein Gebet. Dann kehrte er nach St. Peter zurück, wo er sich – jenseits der aurelianischen Mauern – bei S. Petronilla seine Pfalz gewählt hatte.
    8 Doppelseite aus dem Anonymus Einsidlensis (Detail) mit dem Weg von der Peterskirche zur Laterankirche (Sanctus Johannes in Lateranis) , vor 800, Kloster Einsiedeln, Stiftsbibliothek Cod. 326f. 83b-84a
    Die Ostertage beging der König gemeinsam mit dem Papst. Die Auferstehung des Herrn war ein Fest, das die ganze Stadt nach uraltem Ritual zelebrierte. Prozessionen mit Fahnen und Kreuzen zogen durch die Straßen zu den Stationskirchen. Papst, Klerus, die
Iudices
, die Milizen, alle im feierlichen Ornat, die gesamte Bürgerschaft, die am Karsamstag Getauften und nun auch der Frankenkönig und römische Patricius waren in die Feierlichkeiten einbegriffen und zogen zu den großen Patriarchatskirchen. Diese Stadt, noch in ihren Ruinen groß, empfing den Frankenkönig, ihren Schutzherrn. Karl sah die Fülle ihrer Gotteshäuser, eines ehrfurchtgebietender, herrlicher, überwältigender als das andere, betete in den Kirchen Konstantins des Großen, feierte mit dem Papst.
    Erinnerungen an die Kindheit mögen in Karl aufgestiegen sein, als er, der Knabe, den Papst Stephan eingeholt und zum Vater geleitet, wie er staunend den römischen Pomp bewundert hatte[ 35 ]. Jetzt aber enthüllte sich ihm, «dem allerchristlichsten König der Franken», die ganze Feierlichkeit der päpstlichen Zeremonien undRituale und der Abglanz der alten Größe Roms; jetzt verfestigten sich die Erinnerungen seiner Kindheit, formten eine Vision vielleicht noch nicht von Romerneuerung, wohl aber davon, daß Schwert und Religion, daß Macht, Glaube und Wissenschaft sich verbünden müßten, um mit Rom Schritt halten zu können. Was aber sah er, was konnte er sehen oben auf dem Celio? Und wie mußte er es deuten? Wie griff er es auf?
    9 Karls des Großen Weg durch Rom von der Peterskirche auf den Monte Celio (nach B AUER , Anonymus Einsidlensis)
    Der sechsundzwanzigjährige König betrat mit wissendem Blick den Ort, den die Geschichte der Heilung des Kaisers Konstantin vom Aussatz durch die lebenspendende Taufe auszeichnete, «Konstantin, der keine Dämonen angerufen, sondern den wahren Gott verehrte», wie es bei Augustinus hieß. Der hl. Silvester hatte die Taufe eben dort vollzogen, wo Karl sich nun befand; ihr seien, so wußte die Tradition, reiche Gaben an die römische Kirche gefolgt. Derartiges Wissen lenkte die Blicke und deutete das Wahrgenommene, formte Perspektiven für die Zukunft[ 36 ]. Karl war mit dieser Historie vertraut. Als unzuverlässige Legende dürfte er die
Passio sancti Silvestri
, wie die älteste Handschrift der Silvesterakten aus der Mitte des 8. Jahrhunderts den Text überschrieb, nicht eingestuft haben.
    Immerhin hatte sich ja Karlmann, der Bruder seines Vaters, nach dem Silvesterkloster auf dem Monte Soratte nördlich vor Rom zurückgezogen und damit Pippin den Aufstieg zum Thron ermöglicht. In dieses Kloster hatte sich einst der Heilige selbst vor den Nachstellungen des christenverfolgenden Kaisers geflüchtet; die Reichsannalen verwiesen zum Jahr 746 in diesem Zusammenhang explizit auf Konstantin. Auch der eine oder andere von Karls (unbekannten) Begleitern und Beratern kannte und schätzte – so wie es später von seinem Vetter Adalhard von Corbie und dessen Biographen Radbert bezeugt ist[ 37 ] – jene Überlieferung, ohne sie als «fabelreichen Heiligenroman» zu durchschauen[ 38 ]. Sie aber bot und bietet die einzige Information, die damals und heute über die Geschichte des Ortes zur Verfügung stand oder steht, den Karl und die Seinen eben, zur Osterzeit des Jahres 774, betreten hatten.
    10 Bronzestatue des Mark Aurel, heute im Kapitolinischen Museum, galt in Karls Zeit als Konstantin der Große, genannt Caballus Constantini , das Roß Konstantins
    Damals, als Karl diesen von der Tradition ausgezeichneten Ort erreichte, könnte er den von der
Passio sancti Silvestri
vorgestellten Konstantin als Vorbild zu betrachten gelernt haben,

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