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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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dorthin gelangten. Auch Ehen konnten über die Völkergrenzenhinweg geschlossen werden. Eine homogene Reichsbevölkerung entstand freilich durch diese Maßnahmen, die lediglich bestimmte Schichten der Freien und des Adels erfaßten, nicht. Organisatorisch drangen mit den beteiligten Personen, wenn auch nicht nur durch sie, das Lehnswesen (soweit entwickelt) und das Grafschaftswesen in die eroberten Gebiete. Nachhaltig wirkte auch die Zuordnung der Kirche auf Rom und den Papst, die Karl konsequent zu beachten verlangte.
    18 Mals (Vinschgau, Südtirol, St. Benedikt, weltliche Stifterfigur 8. Jahrhundert); das Fresko zeigt den Herrn in üblicher fränkischer Tracht.
    Das alles wuchs freilich nicht zu einem einheitlichen System zusammen. Das Trennende brachte sich weiterhin zur Geltung. Eine ‹Reichsloyalität› konnte es nicht geben, weil das «Reich», wenn es anderes bezeichnete als den räumlichen Umfang von Karls Herrschaftsgebiet, allein der personalen Sphäre des Königs zugeordnet war. Auch Karl dachte, da Gott ihm vier oder drei Söhne geschenkt hatte, in Kategorien der Teilung, nicht der Einheit, selbst wenn er anders teilen mochte als seine Vorgänger. So fehlte – von den genannten vier Faktoren: Personenentsendung, Lehnswesen, Einrichtung von Grafschaften und Bindung an das Papsttum abgesehen – eine integrative Klammer, eine logische Integrationsfigur.
    Selbst die kirchlichen Gewohnheiten hier und da wichen voneinander ab. Sogar das Glaubensbekenntnis betete die römische Kirche mit dem Papst an der Spitze anders als die Franken. So war – neben mancherlei Abweichungen – in der spanisch-westgotischen und der angelsächsischen Kirche, auch in einigen der überlieferten lateinischen Glaubensbekenntnissen aus dem frühmittelalterlichen Frankenreich dem Bekenntnis, wie es auf dem 2. Konzil von Konstantinopel im Jahr 381 verkündet worden war (dem sog. Nicaeno-Constantinopolitanum), ein kleiner, dogmatisch unwesentlicher Zusatz eingefügt worden. Danach ging der Heilige Geist nicht nur «vom Vater», sondern «vom Vater und vom Sohn» aus (
a patre filioque
)[ 181 ]. Die erhaltenen volkssprachlichen Versionen, etwa das fränkische oder alemannische Credo, übergingen freilich den fraglichen Passus.
    Karl indessen wünschte die Einheit in Glaubensfragen; so dranger auf Einfügung des
filioque
ins Bekenntnis – Anlaß für fortgesetzte Kontroversen und lauten Streit mit den Griechen. Doch auch Leo III. widersetzte sich trotz nachdrücklichen Drängens der Franken dieser Erweiterung und bekundete allen sichtbar die Differenz: Auf großen silbernen Tafeln ließ er neben dem Eingang zur Confessio des Apostelfürsten und über dem Eingang zum Grab des Apostels Paulus – auf Griechisch und Lateinisch dort, nur auf Lateinisch hier – mithin an den besuchtesten Pilgerstätten der lateinischen Christenheit, das Bekenntnis ohne das
filioque
(oder das
et filio
) verkünden. Erst Jahrhunderte später, unter Benedikt VIII., fand die Änderung Aufnahme in die römische Liturgie. So blieb es dabei: Nicht einmal die Kirche vermochte einheitliche Gewohnheiten zu stiften; bunte Vielfalt prägte vielmehr das durch Kriege zusammengebrachte karlische Vielvölkerreich.
    Karl aber war nicht nur das Opfer des kriegerischen Ethos seiner Zeit. Er hegte eigene Ziele. Der Krieg gegen die Sachsen und gegen die Langobarden wurde zur nämlichen Zeit ins Werk gesetzt. Dachte er schon an Rom, wohin er mitten im Langobardenkrieg zog, an Rom in einem ganz profanen Sinn? Die Gallia Narbonensis, Italien, Rom, Spanien, Baiern, Pannonien, waren durchweg alte römische Provinzen. Dem Franken blieb das nicht verborgen. Selbst Sachsen fügte sich, wenn – man denke an die Schlacht im Teutoburger Wald – mit Einhards Karls-Vita die Augustus-Vita des Sueton zum Muster dienen darf, in ein Ensemble römischer Erneuerung. Er, Karl, halte, so wußte ein Geschichtsschreiber, Rom und die Kaisersitze des Westens – was hieß: Trier, Arles, Mailand, Ravenna – in seiner Hand[ 182 ]. War es das, was der Eroberer von Anfang an anstrebte? Die Erneuerung des westlichen Kaisertums? Auch das wird man bezweifeln, wenn auch unverkennbar ist, daß sich dem König mit wachsendem Erfolg Entsprechendes aufdrängen konnte.
    Wohl aber legitimierte die Religion jeden seiner Kriege – nicht zuletzt vor ihm, Karl, selbst. Denn jeder Krieg, in den er zog, war begleitet oder gefolgt von Maßnahmen, die Gott und seinen Heiligen huldigten. Die Menschen sollten den

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