Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
als Typus eines christlichen, rombeherrschenden Kaisers. Der Papst Hadriandurfte nur wenige Jahre später (778) – doch wohl in Erwartung nicht nur des königlichen Beifalls, sondern vor allem der Zustimmung für die Anspielung – an den «frommen Konstantin heiligen Angedenkens, den großen Kaiser»,
sanctae recordationis piissim(us) Constantin(us) Magn(us) imperator
, und seine reichen Schenkungen erinnern und durfte ihn selbst, den Karolinger, «den neuen, Gottes allerchristlichsten Kaiser Konstantin» heißen:
novus christianissimus Dei Constantinus imperator
[ 39 ]. Auch in Karls Frankenreich konnte der Typus Konstantins als christlicher Herrscher immer wieder evoziert werden[ 40 ]. Dessen späterer Abfall von der Orthodoxie blieb freilich nicht verborgen und verdüsterte das Bild; er verwehrte Lobeshymnen und – soweit es den lateinischen Westen betraf – die Ehre der Altäre. Was aber suggerierte die Legende dem Frankenkönig?
11 Rom, Santi Quattro Coronati, Darstellung nach Ettore Roesler Franz 1864. Das Bild verdeutlicht die dünne Bebauung Roms noch im 19. Jahrhundert; zur Zeit Karls des Großen dürfte es ähnlich ausgesehen haben.
Sie ist in den «Actus b. Silvestri» noch aus dem fünften oder sechsten Jahrhundert überliefert und sie sprach den hier fraglichen Ort auf dem Celio immer wieder als kaiserlichen Repräsentationsort an, durchweg und ausschließlich als kaiserlichen Palastkomplex. Hier, in seinem
palatium Lateranense
, folgte Konstantin den Eingebungen römischer Frömmigkeit (
pietas
), hier sah er imTraum die Bilder der Apostelfürsten, die ihn zur Heilung an den Bischof Silvester verwiesen, hier trat er ins heilende Taufbad, stiftete er, ohne sie an den Papst zu schenken[ 41 ], die Salvatorbasilika und erließ er Gesetze zur Erhöhung der römischen Kirche. Kein explizites Zeugnis, auch nicht das Silvesterleben im «Liber Pontificalis», ließ diesen kaiserlichen Palastkomplex indessen in kirchlichen Besitz überwechseln, auch wenn die normative Macht des Faktischen die
Basilica Constantiniana
, wie sie damals noch regelmäßig hieß, eben die Salvatorkirche, zur Bischofskirche des Papstes gemacht hatte.
So blieb alles, was dem – nun in Konstantinopel residierenden
–
Kaiser in der Stadt Rom zugeordnet war, in den folgenden Jahrhunderten von kirchlichem Zugriff unberührt. Nicht einmal der
Sessorium
-Palast, die einstige Residenz der Kaiserin Helena, deren Atrium wohl durch Konstantins Mutter in eine Kirche umgewandelt worden war, zu Santa Croce in Gerusalemme, gelangte an den Papst und fiel mit der Zeit in Ruinen[ 42 ]. Die feierlichen Orationen am Ostersonntag für den Kaiser, den Frankenkönig und andere erklangen noch in der Frühzeit Karls des Großen[ 43 ]. Erst jetzt erreichte der lange Ablösungsprozeß des päpstlichen Rom vom byzantinischen Imperium seine entscheidende Phase[ 44 ]. Bis dahin aber, mithin als Karl die Stadt betrat, wurden die Rechte des Kaisers beachtet.
Das galt zumal für jene Bauten, die nach der Silvesterlegende als kaiserlicher Lateranpalast zu gelten hatten. Sie existierten, als die
Passio
entstand, gleichzeitig mit dem päpstlichen «Haus», dem «Bischofs-» oder «Patriarchenhaus» (
episcopium
oder
patriarchium
), waren mit demselben also nicht identisch und lagen räumlich deutlich getrennt von jenen; so überdauerte es bis zu Karls Zeit unverändert, so lange nämlich wie mit dem Exarchen die Kaisergewalt in der Stadt gegenwärtig war. Wie nun präsentierte sich dieses Areal auf dem Celio, als der Franke mit seinen Leuten die Stadt und die konstantinische Salvatorbasilika mit ihrem Baptisterium besuchte? Was sahen er und seine Begleiter? Wie mußten sie –von der
Passio
angeleitet – ihre Wahrnehmungen deuten?
Der fragliche Bereich des Celio, ganz am Rand der Stadt, von Weinbergen umgeben und direkt bei der Aurelianischen Mauer gelegen, hieß nach seinen einstigen Besitzern, jener konsularen Familie der Laterani, die Nero im ersten nachchristlichen Jahrhundert enteignet, Septimius Severus in einen Teil ihres alten Besitzes wieder investiert hatte, bevor dieser – aus unbekanntem Grund – erneut in kaiserliche Hand fiel, hieß also «bei den Laterani»,
ad Lateranis
. Der Ort behielt bis zum beginnenden Hochmittelalter diesen Namen bei. «Lateran» war somit zu Karls Zeit nicht der Name des päpstlichen
Patriarchiums
, nicht der Sitz des Papstes, sondern ein Lokativ zur Angabe von dessen innerstädtischer Lage auf dem Celio. Die
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