Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
Bischofskirche des Papstes war die «Konstantinische» oder die «Lateranensische Basilica», die Basilika also, die Konstantin gestiftet hatte oder die «bei den Laterani» stand. Die antike Herkunft des Namens erinnerte freilich zu Karls Zeit, soweit erkennbar, niemand mehr.
Der Komplex der fraglichen Bauten konnte aber für einen Besucher wie Karl, der mit dem Wissen der Silvesterlegende den Platz überschaute, ohne weiteres als kaiserliches Herrschaftszentrum gelten. Nach Osten zu, schon jenseits der Straße zur nahegelegenen Porta Asinaria, befand sich das päpstliche
Patriarchium
. Zacharias hatte es um die Mitte des 8. Jahrhunderts erneuern lassen. Im Südosten begrenzte die mächtige Salvatorkirche das Areal und schuf damit einen großen Platz, den
Campus Lateranensis
. Ihn beherrschte der sog.
Caballus Constantini
, nämlich das eherne Reiterbild Marc Aurels, das im früheren Mittelalter als Bild des Kirchenstifters Konstantin galt (deshalb wohl der Vernichtung entging) und erst im 16. Jahrhundert auf das Kapitol gebracht wurde. Westlich davon lag das Baptisterium, heute S. Giovanni in Fonte, hinter beiden Kirchen die Stadtmauer. Noch weiter im Westen, in einiger Entfernung von dem
Patriarchium
, lagen jene Bauten, die dem «konstantinischen»Palast zugewiesen werden durften. Im Norden begrenzte die
Aqua Claudia
, der claudische Aquädukt, der seit antiker Zeit die Bauten auf dem Celio mit Wasser versorgte, den Platz. Im Nordwesten dieses Bereichs und zwar nahe bei und vor dem (angeblichen) Kaiserpalast lag das «lateranensische Bad» (
balneus Lateranensis
, Abb. VIII).
12 Rom, Lateran, der Eingang zur Basilika bei Nr. 1, rechts davon im Bild die Taufkirche (S. Giovanni in Fonte), Nr. 6 zeigt den Caballus Constantini, die übrigen Gebäude in der Bildmitte gehörten zum päpstlichen Palast; Rekonstruktion durch Giovanni C IAMPINI , De sacris aedificiis a Constantino Magno constructis, Rom 1693.
Dieser Bebauungsplan, der sich Karl dort, «bei den Laterani», darbot, prägte sich dem jungen, von ersten Erfolgen umschmeichelten König dauerhaft ein. Er war in wenige Parameter zu zerlegen: Kirche, Platz, Palast und Reiterbild. So wurde er das sichtbare Zeichen von christlicher Herrschermacht und Größe; so sollte er – wie sich zeigen wird – nach vielen Jahren in Aachen erneuert werden. Der König wußte fortan, welche Ziele es zu verwirklichen galt. Sein Königtum, sein Reich, sollte sich diesem Rom angleichen.
Karl war die folgenden Tage an allen päpstlichen Kulthandlungen beteiligt. Ritt er mit in den Prozessionen des apostolischen Vaters zu den Stationsgottesdiensten? In den Kirchen lauschte er der päpstlichen Liturgie und der
schola cantorum
und ihrem wundervollen Jubelgesang. Die Osternacht beging er mit dem Taufgottesdienst und in der Erlöserkirche, kehrte anschließend zu seinem Quartier bei Sankt Peter zurück, um des Morgens in feierlicher Prozession römischerWürdenträger zur päpstlichen Osterfeier in S. Maria ad Praesepe (S. Maria Maggiore) geleitet zu werden; nach der Messe begab sich der Prozessionszug mit Papst und Frankenkönig zum
Patriarchium
, wo sie gemeinsam – eine rituelle Speisegemeinschaft – das Mahl einnahmen; am Montag zelebrierte Hadrian in St. Peter, wo dem König die Laudesgesungen wurden, am Dienstag in St. Paul vor den Mauern, den beiden Grabkirchen der Apostelfürsten. Am Mittwoch trafen sich beide erneut in St. Peter, wo Hadrian um die Bestätigung der sog. «Pippinischen Schenkung» bat, mithin des (bemerkenswert schlecht bezeugten) Versprechens einer Territorienzuweisung seines Vaters[ 45 ], die Karl schon als Knabe gemeinsam mit seinem Bruder Karlmann in Quierzy bekräftigt habe. Sie wurde verlesen und vom König erneuert, doch in welchem Sinn: herrschafts-, kirchen- oder abgabenrechtlich?
13 Das Innere der konstantinischen Taufkirche, heute S. Giovanni in Fonte
14 Der Romplan Étienne D UPÉRACS von 1577 verdeutlicht die «Insellage» des päpstlichen Lateran (Bildvordergrund) innerhalb der Stadtmauern Roms. Links neben den päpstlichen Palastbauten befindet sich die konstantinische Basilika, weiter links die Aurelianische Mauer, rechts vom Papstpalast liegt der Campus Lateranensis, oberhalb der Kirche der Kreuzgang und die Bauten für Kanoniker, rechts daneben ist das Oktogon der Taufkirche zu erkennen, im Winkel zwischen den beiden nächstgelegenen, auf den Campus mündenden Straßen liegt das berühmte Hospital, in dessen Nachbarschaft und unter
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