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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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Wieweit die Bezeichnungen austauschbar waren, mithin gleichartige Sachverhalte betrafen, wird diskutiert.
    Dem König stand in der Wirtschaftspraxis die Königin zur Seite. Tatsächlich hat sich ein Privileg erhalten, mit dem Karl gemeinsam mit seiner Gemahlin Hildegard schenkt[ 19 ]. Obwohl die Wirtschaftshöfe über ganz «Gallien» und «Germanien» streuten, gehörten sie zum Hauswesen und zum Rechtskreis des Hauses. Hier herrschte die «Hausherrin». Das
Capitulare de villis
sprach sie unmittelbar an. Gerade die «Tafelgüter» unterlagen ihrer «Zuständigkeit»[ 20 ]. Deren Produkte dienten neben dem reisenden Königshof, den Leuten an Ort und Stelle, mitunter der Versorgung des Heeres (c. 30, c. 64). Überschüsse sollten zum Verkauf gelangen (c. 33). Sogar der Kirchenzehnt und der «Neunte», d.h. ein zweiter Zehnt, wurden in den Grundherrschaften fällig (c. 6); er sollte ausschließlich an Eigenkirchen und an keine ‹auswärtigen› Kirchen entrichtet werden. Jeder Königshof (
villa
) sollte – etwa für einen Königsbesuch – in der Kammer bereithalten: Betten, Matratzen, Federbetten, Bettlaken, Tischdecken, Sitzbänke, eherne, bleierne, eiserne und hölzerne Gefäße, Kohlebecken, Ketten und überhaupt alle nötigen Utensilien, «so daß es nicht nötig ist, sie andernorts zu besorgen oder zu leihen» (c. 42). Weich, bequem und warm wünschte der König zur Winterszeit zu nächtigen.
    Die «Ministerien» der Meier (
maiores
) sollten nicht ausgedehnter sein, als dieser Amtmann an einem Tag umreiten oder überschauen könne (c. 26). Die Meier sollten keinesfalls aus den Reihen der Mächtigen (
potentiores
) genommen werden, «sondern aus der Mittelschicht (
mediocres
), deren Angehörige treu sind» (c. 60) – Zeichen einer stets latenten Sorge des Königs um die stets bedrohliche Konkurrenz der eigenen Großen. Die Organisation der Grundherrschaft sollte also überschau- und leicht kontrollierbar sein, um ihre Sicherheit zu gewährleisten. Den
iudices
sollte aber auch in den Meiern keine Konkurrenz erwachsen.
    Die Amtleute (
iudices
) hatten Förster, Pflugführer, Kellermeister oder Zöllner und andere Spezialisten unter sich (c. 6). Auf Befehl der Königin, des Seneschalls oder des Mundschenks sollten die
iudices
umgehend, um Rechenschaft abzulegen, an den Königshof eilen (c. 16). Sie sollten die Hörigen des Königs nicht für ihre Dienste heranziehen und keine Gaben (
dona
) von ihnen annehmen, «kein Pferd, keinen Ochsen, keine Kuh, kein Schwein, keinen Hammel, kein Ferkel, kein Lamm oder sonst ein Vieh, es sei denn eine Flasche (Wein), Gemüse, Obst, Hühner und Eier» (c. 3); auch sollten sie sich die Meute ihrer Jagdhunde nicht von ihnen durchfüttern lassen (c. 11). Man ahnt schlimmste Bedrückung. Konnte sich der König in seinen Domänen nicht stets mit seinen Anordnungen gegen die Verwalter durchsetzen? Klagen seiner Hörigen oder der Aufseher (
iuniores
) gegen die
iudices
sollten tatsächlich zum König durchgelassen werden (c. 57). Ob es jemals geschah?
    Jeder
iudex
hatte jährlich zu Weihnachten schriftlich – wie anzunehmen ist – Rechenschaft abzulegen. Detaillierte Angaben wurden dafür verlangt über die erbrachten Dienste, die eingegangenen Abgaben und Zinse, über den Schaden durch Wilddiebe, über Zolleinnahmen, über den Ernteertrag aus Feld, Wald und Wiese, über die erbrachten Arbeiten an Brücken und Fähren, die Einnahmen oder Erträge an Marktgewinn, Brenn- und Bauholz, an Gemüse, Honig und Wachs, auch über Weinertrag und die gebraute Biermenge, über die Handwerksproduktion, kurzum über alles, was der Amtsführung unterlag – alles «genau und getrennt und geordnet», «damit wir wissen, was uns zur Verfügung steht» (c. 62). DieSchriftlichkeit war nicht selbstverständlich: Karl hatte sie schon früher angeordnet, doch war sie nicht befolgt worden[ 21 ]. Eine entsprechend detaillierte Abrechnung hat sich nicht erhalten; doch zeigen immerhin glücklich überlieferte Muster wie etwa die «Brevium exempla», daß zumindest einzelne Abrechnungen tatsächlich eingegangen sein dürften[ 22 ]. Die Grafen hatten mit der Königsgutsverwaltung nichts zu tun; sie wurden dezidiert aus ihr ferngehalten. Zur Kontrolle dienten von Fall zu Fall entsandte Königsboten (
missi
)[ 23 ]. Besaß der König ein Gespür für Ertragsschwankungen oder gar den Wirtschaftswandel? Zeugnisse davon haben sich vom Königshof nicht erhalten; allein Karls Vetter und Berater Adalhard von Corbie

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