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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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(
capitula
) verbreitet, nur gelegentlich in feierlicher Form, ähnlich einem Diplom (ohne ein solches zu sein), häufiger aber in formlosen, vielleicht privaten Listen überliefert. Der König konnte in erster Person Singular oder Plural sprechen; der Wortlaut konnte aber auch in verallgemeinernden Sätzen mit oder ohne Hinweis auf den königlichen Willen festgehalten werden. Der normative Geltungsgrund lag in jedem Fall im mündlich erzielten Konsens zwischen dem König und den beteiligten Großen, während die Aufzeichnung mehr als Gedächtnisstütze zu gelten hat denn als formale Norm. Diese «Kapitularien» spiegeln am eindringlichsten Karls Herrschaftspraxis[ 12 ].
    Das «
Capitulare de villis
» nun galt entweder generell für das Königsgut oder speziell für jene Höfe, die vordringlich oder ausschließlich die eigene «Tafel» des reisenden Hofes (
discus
, c. 24, oder
ad opus nostrum
c. 30) zu versorgen hatten (sog. Tafelgüter); umstritten ist, ob es unter Karl dem Großen oder erst unter Ludwig dem Frommen angelegt wurde, aus dessen Zeit die Handschrift stammt. Einstimmigkeit ist in dieser Frage unter den Forschern einstweilen nicht zu erzielen. Wie dem aber sei, das «
Capitulare de villis
» verdeutlicht allgemeine Grundlinien der königlichen Güterordnungund ihrer umsichtigen Wirtschaftsorganisation, die kaum erst unter Ludwig dem Frommen und durch ihn entstand. Das Kapitular darf somit auch für die Zeit Karls des Großen herangezogen werden[ 13 ].
    Auch das «Lorscher Reichsurbar», überliefert im Codex Laureshamensis des 12. Jahrhunderts, handelt von der königlichen Grundherrschaft und gehört sachlich teilweise in die Epoche des großen Karls[ 14 ]. Aus dessen Spätzeit hat sich in Mailand das Fragment einer weiteren wirtschaftsrelevanten Anordnung erhalten, das ursprünglich wohl nach St-Denis gehörte und beispielsweise die zumeist in Geld zu entrichtenden Abgaben freier Leute auf königlichem Land betraf, das sie aufgrund eines Leihe-, eines sog. Prekarie-Vertrages, nutzen durften, und das damit ebenfalls über die königliche Grundherrschaft zu informieren vermag[ 15 ].
    Ein Urbar ist das Verzeichnis von Domanialbesitz und dessen Einkünften, über die ein Herr verfügte. Das Lorscher Urbar sowie das etwas jüngere, gleichfalls die königliche Grundherrschaft betreffende Urbar aus Churrätien ergänzen gerade die Hinweise auf Organisation und Leistungskraft der karolingischen Domänenwirtschaft[ 16 ]. Es zeichnen sich in allen genannten Dokumenten immer wieder gleichartige Strukturen der Organisation und Domänenverwaltung ab, wie sie eben unter Karl wirksam wurden.
    Zu diesen Zeugnissen treten noch das eine oder andere (aus tatsächlich benutzten Anweisungen kompilierte) Musterformular zur Rechenschaftslegung, das die Zeiten überdauerte[ 17 ], gelegentliche Hinweise in Kapitularien und vereinzelte jüngere Urbare (wie das Urbar des Klosters Prüm aus dem späten 9. Jahrhundert), die mit gebotener Vorsicht auch für die Karlszeit herangezogen werden dürfen. Der berühmte Klosterplan von St. Gallen, wohl auf der Reichenau entstanden und als Idealplan entworfen, gehört zwar erst in die Zeit Ludwigs des Frommen, weist sachlich aber mit seinen zentralen Wirtschafteinrichtungen ohne Zweifel in die Zeit Karls des Großen zurück und kann gleichartige Verhältnisse in den königlichen und klösterlichen Grundherrschaften verdeutlichen[ 18 ]. Die erwähnten Urbare aus der «Francia» oder aus Mitteleuropa unterschieden sich nicht prinzipiell voneinander; allein die Grundherrschaft im SüdenGalliens oder in Italien war – ihrer anderen Herkunft gemäß – kleinteiliger und weniger ‹zentralistisch› geordnet.
    Das Königsgut verteilte sich über das gesamte Gebiet, das Karls Königsgewalt unterstand, lag mitunter in Gemengelage mit Kirchen- und Adelsbesitz, in der Regel freilich in großen zusammenhängenden Komplexen und war nicht bloß in einzelne
Villae
, königliche Wirtschaftshöfe mit abgabepflichtigen Bauernstellen («Hufen»), gegliedert, sondern in riesige Domänen. Der Komplex um Frankfurt etwa umfaßte zahlreiche Orte in der Wetterau, dazu im Süden den Forst Dreieich, der sich bis in das Vorfeld des heutigen Darmstadt erstreckte. Die Amtsbezirke,
ministeria
oder
fisci
, unterstanden eigenen Verwaltern,
iudices
oder
actores
, die vielfach aus dem regionalen Adel genommen waren. Der Umstand barg die Gefahr der Entfremdung in sich, wie sich nach Karl nur zu deutlich zeigen sollte.

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