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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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Doch die systemisch bedingte Reziprozität der Herrschaftsordnung verlangte nach ihr. Die Nachteile eines derartigen «Gabentausches» bekamen Karls Nachfolger freilich bald zu spüren.
    19 Pflugführer, Miniatur aus dem «Stuttgarter Psalter» (um 830); das Gespann mit zwei Ochsen erforderte die Kooperation mehrerer Hufner oder eine Grundherrschaft.
    Aufs Ganze gesehen stellte das karolingische Königtum des 8./9. Jahrhunderts eine wirtschaftliche Großmacht dar, mit der kein zweiter Herr und keine Kirche im Karlsreich konkurrieren konnten. Karl sorgte sich um deren wirtschaftlichen Belange. So gerne er zum Himmel aufblickte, den Lauf der Sterne verfolgte[ 4 ], so gläubig er seine Erfolge der Gnade Gottes zu danken wußte, der Ertrag der Erde bot die unerläßliche Grundlage, die Karl zu keiner Zeit vernachlässigt wissen wollte. Um sie kümmerte er sich fortgesetzt und höchstpersönlich.
    Die Struktur und die Grundzüge der Organisation des Königsgutes übernahm Karl ohne Zweifel von seinen Vorgängern, doch traten sie erst unter ihm deutlicher hervor und lassen sich aufgrund erhaltener Zeugnisse einigermaßen präzis erfassen[ 5 ]. Innovative Strukturmaßnahmen zeichneten sich ab. Karl dürfte die Kontrolleüber Arbeitsorganisation und Abgabenlieferung erheblich ausgeweitet, das ‹Versickern› der Erträge eingedämmt haben, konnte wohl auch die Produktion verbessern, nämlich durch effizientere Überwachung den Ertrag steigern. Berater wie der Abt Adalhard von Corbie könnten ihm dabei mit ihrem Gespür für mittelfristige Planung, Bedarfskalkulation und Rücklagenbildung, die er in seiner Klosterordnung an den Tag legte, zur Seite gestanden haben[ 6 ].
    Rodung und Kolonisation, die gesamte Agrarproduktion, die Vieh- und Pferdezucht, der Weinbau, Imkerei, Wachs und Seifensiederei, die Salzgewinnung, das ganze Montanwesen, aber auch Handwerk, Waffenproduktion, Woll- und Leinenweberei, auch der Nah- und Fernhandel, Geldwesen und Sozialfürsorge, die Versorgung von Königshof, Heer und Volk, kurzum alles griff, soweit es in Karls Macht stand, ineinander und war grundherrschaftlich organisiert. Die Organisation entschied über die Leistungsfähigkeit. Wachs (für die vielen Altarkerzen), Salz (zum Konservieren) und Tuch waren Exportschlager damaliger Zeit, auch Schwerter und Brünnen.
    Die Städte Galliens, der «Francia» oder der Länder rechts des Rheins, bloße Siedlungskonzentrationen, die sie nun waren, besaßen kein eigenes Recht, waren vielmehr in eine königliche oder bischöfliche Grundherrschaft integriert oder dem Landrecht und damit dem Grafen unterstellt. Doch konzentrierten sich Händler, Waren, Geld und Markt in ihnen. Gelegentlich erhielt einer der Kaufleute ein Zollprivileg[ 7 ]. Derartige Zollbefreiungen gab es bereits unter den Merowingern; sie setzten sich unter den Karolingern fort[ 8 ]. In St-Denis wurde der Dionysiusmarkt mit seinen Zollfreiheiten geschützt[ 9 ]. Spezielle Marktprivilegien hat Karl freilich noch nicht ausgestellt; doch gab es ein Kapitular (?) «Über den Markt unserer Pfalz», d.h. Aachens; die Kaufleute dort genossen – jedenfalls unter Ludwig dem Frommen – Zollfreiheit im gesamten Reich mit Ausnahme einiger Grenzstationen[ 10 ].
    Neue Städte jenseits der einstigen römischen Reichsgrenzen entstanden nur allmählich und zwar im Schatten der Königspfalzen wie Frankfurt, des einen oder anderen Klosters wie Fulda oder Werden, auch aus manch einem Handelsort an den Küsten wieHamburg oder Bremen, vor allem aber an Bischofssitzen wie Paderborn oder Münster. Es läßt sich freilich nicht erkennen, daß Karl – von den Bistümern abgesehen – diesen Trend zur Stadtentstehung sonderlich förderte, auch wenn Kaufleute grundsätzlich unter dem Schutz des Königs standen.
    Karls Maßnahmen spiegelten sich in einer vergleichsweise umfangreichen Serie einschlägiger Dokumente. Einzigartig nach Inhalt und Überlieferung sticht das «
Capitulare de villis
» (CdV) hervor, ein Kapitular über Wirtschaftshöfe. Kapitularien waren königliche Verordnungen, administrative Erlasse und Rechtsgebote, die der König (oder Kaiser) in Übereinstimmung mit seinen Großen beraten und beschlossen hatte und die ihren Namen nach ihrer Ordnung in «Kapiteln» trugen. Sie besaßen – so zeichnet sich durch neuere Beobachtungen ab – zwar einen stabilen normativen Gehalt, aber keine verbindliche Form[ 11 ]. Sie wurden in der Regel als Folge einzelner «Abschnitte» mit je eigenem Inhalt

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