Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
wurde vom Weinkauf gesprochen oder vom Verbot des Marktbesuches für die arbeitende Bevölkerung (c. 54). Überschüsse wurden tatsächlich für den Verkauf freigegeben[ 29 ]. Das Fragment aus St-Denis handelte von Brücken-, Fähr-, Markt- und anderen Zöllen[ 30 ]. Zahlreiche Zinse waren in Geld zu entrichten, was Naturalabgaben nicht ausschloß. Handwerk, Markt und Fernhandel fehlten in den Grundherrschaften nicht. Zumindest die Herrenhöfe partizipierten am Angebot an Fernhandelsgütern. Gewürze, Weihrauch, wohl auch Seide und andere Luxusprodukte gelangten ins Frankenreich. Die Münzreform von 794[ 31 ] verdeutlichte die Bedeutung des Geldwesens. Sie gipfelte in der Gewichtserhöhung der Pfennige, die nun ca. 1,7 g Silber aufweisen sollten. Die etwa 40 Münzstätten lagen durchweg links des Rheins. Diese Reform sollte tatsächlich nicht nur das monetarische System in Frankreich und Deutschland vorgeben; mit ihr war zugleich eine Finanzreform eingeleitet, die für Jahrhunderte maßgeblich wurde, sogar Angelsachsen paßten sich an. Das Geld, ausgeprägtes Silber,spielte für Karls Wirtschaftsordnung ganz offenkundig eine wichtige Rolle.
21 Zwei Webtechniken, senkrecht der Gewichtswebstuhl, das angedeutete Haus stellt ein genitium dar (Utrechter Psalter, 1. Hälfte 9. Jahrhundert).
Nicht nur der Agrarertrag wurde geregelt, sondern auch die handwerkliche Produktion. Jede
villa
sollte Werkstätten vorweisen für die verschiedensten Handwerke, nicht zuletzt für Waffenschmiede. Ein freies Unternehmertum läßt sich nicht erkennen. Alle Produktion war irgendwie in Grundherrschaften eingebunden und entsprechend organisiert. Dadurch wurde Arbeitsteilung möglich. Spezielle Frauenarbeitshäuser (
genicia
) mit 20–30 oder noch mehr Arbeiterinnen dienten der Weberei. Sie sollten, so Karl, in festen Häusern mit Öfen ihrer Arbeit nachgehen, mithin gerade im Winter (CdV 49).
Die Sonntagsruhe freilich war zu heiligen. Am Tag des Herrn durften die Frauen keine «Knechtsarbeit» (
opera servilia
) verrichten, weder weben noch Stoffe schneiden, nicht nähen, sticken, Wolle zupfen, Flachs schlagen, außerhalb des Hauses Wäsche waschen oder Schafe scheren. So verfügte es die «Admonitio generalis»[ 32 ]. Stattdessen sollten sie die hl. Messe besuchen, was sehr wohl mit Hin- und Rückweg einen Tag in Anspruch nehmen konnte. Das Sticken und Weben der Königstöchter, das Einhard erwähnte, war von solchem Verbot wohl ausgenommen.
Die schlichten, vertikal aufgestellten (Gewichts-)Webstühle ließen jedes Tuch – neun Ellen lang, fünf Ellen breit – jedes Stück Leinen, jeden Mantel, jedes Hemd ein mühseliges und langwieriges Stück Arbeit werden. Verarbeitet wurden Wolle und Flachs. Derkomfortable Trittwebstuhl läßt sich erst seit dem 10. Jahrhundert nachweisen. Dennoch zeichneten erhebliche Produktionsleistungen die Betriebe aus. Es gelang eben durch die Konzentration der Frauenarbeit. Tücher wurden Exportartikel. Als Karl etwa dem Kalifen Gaben unterbreitete, wurden die Tücher eigens erwähnt. In der Mitte des 9. Jahrhunderts löste das Kloster Lorsch mancherorts die Leistungen an Tüchern durch Geldzahlungen ab[ 33 ]. Die Maßnahme deutet kaum auf einen geschrumpften Bedarf, viel eher auf die Konzentration der Produktion etwa in Arbeitshäusern hin.
Bei allen Einzelverfügungen, ein umfassendes Konzept für das Ineinandergreifen aller wirtschaftsrelevanten Maßnahmen, mithin von «Volkswirtschaft», gab es nicht. Jede Grundherrschaft war ein eigener, irgendwie autarker Wirtschaftsbereich, und jeder Herr, und so auch der König, war allein für ihn zuständig. Eine systematische Kooperation wenigstens der königlichen
ministeria
, eine gezielte Standortplanung läßt sich nicht erkennen und war bestenfalls in Ansätzen wirksam. Gleichwohl war Karls wirtschaftsplanerisches Handeln auf Wachstum gerichtet. Ertrag und Produktion sollten gesteigert werden zum Nutzen von König, Heer, Kirche und Bevölkerung.
Hinweise auf die Wege und Straßen fehlen im «
Capitulare de villis
». Das antike Straßenwesen war weithin zusammengebrochen, obgleich die eine oder andere Römerstraße noch benutzbar war. Die antiken «Straßenmeistereien», die für den Erhalt der Straßen zu sorgen hatten, gab es nicht mehr. Altstraßen ohne Pflasterung waren im Winter besser zu begehen als im feuchten Frühjahr oder Sommer. Regionale und lokale Verbindungspfade spielten für das Botenwesen eine erhebliche Rolle. Transportleistungen
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