Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
Herrenland und etwa 200–300 Menschen ein eher kleiner Herrenhof. Die Zahl der Knechtshufen unterschritt dabei deutlich die Zahl der Freienhufen, auf denen Kriegsdienst lastete, der teilweise abwechselnd abgeleistet werden durfte. Bestand eine Tendenz zur Aufgabe der Knechtshufen? Jedenfalls übertraf die Menge der unbesetzten Knechts- die Anzahl der unbesetzten Freienhufen. Die Freien hatten die Kriegsochsen durchzufüttern, ohne Zweifel eine erhebliche Belastung. Waren die anderen Herrenhöfe des Bistums Augsburg in etwa gleich ausgestattet, so mußte der Bischof um die 400 oder mehr Leute für Karls Kriegszüge stellen und annähernd ebenso viele Ochsen. Pferde wurden in Staffelsee nur wenige gehalten, wohl für die Botendienste; doch überrascht die vergleichsweise hohe Zahl der Boten. Etwa ein Drittel der Frauen mußte jährlich wenigstens ein linnenes Hemd abliefern. Etwa 150 oder mehr Weberinnen in acht oder mehr
genitia
könnten den Bischof mit Woll- und Leinentüchern versorgt haben, die wenigstens teilweise, wie der Lagerbestand in Staffelsee zu zeigen scheint, den Handel bedienten haben dürften. Auch Backen und Brauen war Frauenarbeit, ebenso Garten- und Erntearbeit oder die Früchte des Waldes zu sammeln[ 40 ].
Als Beispiel für freie Prekaristen und Lehensleute (
beneficiarii
) sowie die Verzeichnung von deren Besitz dienten Traditionen an das Kloster Weißenburg, die im Bistum Worms lagen. Übergeben wurden Herrenhaus sowie – zahlenmäßig erfaßt – abhängige Knechtshufen, Weinberge, dazu die Lehen des Klosters an die Prekaristen, darunter gelegentlich auch eine Eigenkirche. Diese «Beneficiaristen» erhielten mitunter umfangreichere Lehen mit Herrenhaus, abhängigen besetzten und unbesetzten Freien- und Knechtshufen, Wiesen, Weinbergen, Waldnutzungsrechten; auch eine Mühle oder Vieh konnten vergeben werden. Alles sollte verzeichnet werden.
Die Königshöfe verlangten neben dem Agrarbetrieb nach repräsentativen Einrichtungen. Sie sollten (neben den Hufen, dem Vieh und dem Ertrag, die aber in den Mustern nicht aufgelistet sind) mit ihren Ausstattungen verzeichnet werden. So fanden sich in Annappesu.a. der aus Stein errichtete «Königssaal» mit drei Kammern, das ganze Haus von Söllern umgeben, mit elf Frauengemächern, 17 zum Königshof gehörenden Holzhäusern, mit Stall, Küche, anderen Versorgungseinrichtungen, alles von einem festen Zaun umgeben mit steinerner Toranlage, über der sich ein Wach- oder Wohnraum befand. Weiterhin wurden verzeichnet ein Bett, ein Tischtuch, verschiedene Gefäße, zwei bronzene und ein eisernes Kohlebecken und anderes Gerät, Sensen und Sicheln und hölzerne Arbeitsgeräte. Einmal wurde (an ungenanntem Ort) festgehalten, daß keine Gold-, Silber- und Eisenschmiede anzutreffen seien und nichts für die Jagd. Ein andermal fand sich ein steinernes Herrenhaus innen mit Holz vertäfelt erwähnt.
Dann wurde der Vorrat der Scheunen und Lagerhäuser, weiterhin der Viehbestand erfaßt. In Annappes wurden registriert: 51 ältere, fünf dreijährige, sieben zweijährige Stuten und ebenso viele diesjährige Stuten, zehn zweijährige und acht einjährige Füllen, drei Zuchthengste gefolgt von 16 Ochsen, zwei Eseln, 50 Kühen mit Kälbern, 20 Jungtieren, 38 einjährigen Kälbern, drei Stieren, 260 ausgewachsenen Schweinen, 100 Ferkeln und anderes mehr. Annappes und grundsätzlich auch die anderen erwähnten Königshöfe waren hervorragend ausgestattet, sie dienten weithin der Pferdezucht. An einem der Höfe wurden 79 ältere, 24 dreijährige, 12 zweijährige, 13 einjährige Stuten gezählt, dazu sechs zweijährige, 12 einjährige Füllen und vier (Zucht-)Hengste, dazu weiteres Großvieh. Die diesbezüglichen Anordnungen des «
Capitulare de Villis
» wurden offenkundig befolgt. In welchem Stall aber standen die vielen Kriegshengste? Waren sie an die kriegsdienstpflichtigen Freien verteilt, die keine eigene Pferdezucht betreiben konnten, oder zentral an einem anderen Königshof eingestellt? Der Königshof Annappes war ohne weiteres in der Lage, den König mit seinem Gefolge für einige Zeit aufzunehmen; Karl dürfte den Hof tatsächlich im Jahr 800 besucht haben, als er mit seinem Gefolge von Aachen zur Inspektion der Nordseeküste und nach St-Riquier zog[ 41 ].
Der König wollte wissen, worüber er verfügen konnte. Sah er auch die Mühen und den Schweiß, den Hunger, die Not, die sichhinter solchen Zahlen verbargen, das unendliche Leid? Dachte er an die
Weitere Kostenlose Bücher