Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
schwer schuftenden Menschen, wenn er solche Berichte entgegennahm? Wie kalkulierte er? Pflegte er Ansätze zur Ertragsrechnung? Etwa für anstehende Planungen? Zur Linderung der Not? Sammelte er die eingegangenen Berichte, um sie jahrweise vergleichen, vielleicht auch um seine Amtmänner kontrollieren zu können?
Nichts dergleichen sah sich überliefert. Doch schwerlich lebte man wirtschaftlich in den Tag hinein. Die Verfügungen von der Frankfurter Synode im Jahr 794 geben größere Umsicht zu erkennen und deutliche Hinweise auf Sozialfürsorge. Wie wurden sie umgesetzt? Allein einige wenige Maßnahmen Adalhards von Corbie, dessen Kloster seiner Größe wegen auch Kriegsdienst leisten mußte, verraten eine gewisse zeitgenössische Rechenhaftigkeit im Kontext grundherrschaftlicher Verwaltung, Planung und Fürsorge. Aus keinem zweiten Kloster der Karolingerzeit liegen so umfassende Informationen vor wie aus Corbie.
Als Abt und Grundherr kümmerte Karls Vetter sich ausgiebig um die innere Ordnung des Klosterbesitzes oder genauer: um die Neuordnung. Denn die einschlägigen Statuten (
brevia
) datieren erst aus dem Jahr 822 und damit erst aus der Zeit nach Adalhards Rückkehr aus der Verbannung, in die ihn Ludwig der Fromme nach Karls Tod getrieben hatte[ 42 ]. Doch bietet der Wortlaut keinen Anhaltspunkt für gravierende Abweichungen gegenüber der Zeit davor. Sie zeigen eine eindringliche effiziente Besitzverwaltung, die sich durchaus an die königlichen Dokumente anschließt. Hatte Adalhard einst an ihnen mitgewirkt? Im Kloster lebten damals, im Jahr 822, knapp 350 Mönche, doch sollte mit einer Konventsstärke von 400 Brüdern kalkuliert werden[ 43 ].
Erhalten sind die Bestimmungen über die Pfründner, das Armenhospital, den jeweiligen Ernteertrag, über die Klostergärten, das Refektorium und die Küche der Brüder, über die Klosterpforte und die Verwaltung der Zehnten. Angefügt findet sich eine Bestimmung über die Kellerei, daß nämlich 600 Schweine pro Jahr zu schlachten seien, nämlich 60 für die Pforte, 370 für den Kellermeister (nämlich eines pro Tag und fünf zusätzlich), 120 für diePfründner und 50 zur Verfügung des Abtes. Die 370 Schweine der Kellerei – sie wurden vielfach zu Pökelfleisch und Wurst verarbeitet – sollten den Bedarf für die Kranken, die Vasallen und die übrigen Kostempfänger decken, die nicht zur Pforte gehörten oder zu den Pfründnern zählten. Auch die 120 Schweine der Pfründner wurden über die Kellerei verarbeitet. Genau wurde verfügt, wie der Kellermeister mit dem Geschlachteten umzugehen habe, wie der Anteil der Pfründner zu verteilen oder jener der Pforte zu verwenden sei[ 44 ]. Er sollte schriftlich darüber Buch führen.
Der Betrieb wurde durch Dienstleute wie Kämmerer, Kellermeister, Pförtner oder Seneschall geleitet, ein Amtmann beaufsichtigte die Gesamtheit der Wirtschaftshöfe (
actor villarum
), auch für Hospital und Gärtnerei waren eigene Amtsträger zuständig. Sie führten die Aufsicht etwa über die genau 150 geistlichen oder laikalen Pfründner, nicht mehr und nicht weniger; jeder Pfründner bekam demnach für sich und seine Familie etwa 4/5 eines Schweins pro Jahr. Das Kloster setzte sie, nicht anders als andere Grundherren, für den Innen- und Außendienst ein, etwa in den einzelnen Werkstätten (beispielsweise für Grob- oder Goldschmiede, Schildmacher, Pergamenterer) oder für spezielle Aufgaben (wie Pferdezucht oder Hospital); auch drei Erzgießer (
fusarii
) und zwei Ärzte befanden sich unter ihnen. Genau wurde aufgelistet, wieviel Brot, wann und wieviel Bier, Beerenwein oder Wein die einzelnen Pfründer erhalten sollten, welche Sonderrationen ihnen an den 13 kirchlichen Festen und welche Ober- und Unterkleider, welche Mützen ihnen zustünden[ 45 ].
Analog wurden die übrigen Dienstbereiche geregelt. Im Armenhaus wurden Nacht für Nacht 12 Arme aufgenommen, dazu wurden Bedürftige gespeist. Gebrauchte Kleider und Schuhwerk wurde an sie verteilt. Gab es an Karls Königshöfen entsprechende Einrichtungen? Genau festgelegt wurde der jährliche Getreideeingang, über dessen Verteilung Tag für Tag der Propst die Aufsicht führte. Doch da die Ernte manchmal besser, manchmal schlechter, manchmal höher, manchmal geringer ausfalle, soll nach einer kleineren Gewichtseinheit als am Königshof so gemittelt werden (
mediocriter estimantes
), daß stets mit einer bestimmten Ertragsmenge gerechnetwerden kann. Genau vorgeschrieben wurden
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