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Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)

Titel: Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Fried
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Entwicklung, die er nicht selbst auf den Weg gebracht hatte.
    Die Anfälligkeit für Hunger blieb dennoch groß. Adalhard rechnete freilich nicht mit ihm. Die Zentren der Grundherrschaft waren anscheinend weniger von ihm betroffen. Es mußte – bei einem Verhältnis von Saat- zu Erntekorn beim Brotgetreide von 1:3 oder bestenfalls 1:4 (heute 1:16 oder noch besser) – der Ertrag nur um ein Korn sinken und ein Drittel oder Viertel der Ernte fiel aus. Das Volk lebte weithin von Getreidebrei, Brot, Käse und – sozial differenziert – von Fleisch. Nur der Adel durfte Hochwild jagen; einfachen Leuten blieb oft nur ein Mastschwein im Jahr, etwas Federvieh und Eier, dazu vielleicht ein erbeuteter Hase. Die Schweinezucht wurde unter den Franken intensiv betrieben. Karls des Großen Lieblingsspeise sei Wildbret gewesen, erinnerte sich Einhard (c. 24). Der Arme durfte sich daran nicht vergreifen.
    Hungersnöte kehrten regelmäßig wieder, mancherorts alle drei bis fünf Jahre; es läßt sich am Knochenwuchs erkennen und durch entsprechende Friedhofsgrabungen nachweisen. Karl trachtete wiederholt danach, dem Hunger mit Preisgeboten für Getreide und Brot und durch preisgünstigen Verkauf des Überschußgetreides seiner Grundherrschaften entgegenzuwirken. So verlangten es die Religion und die ökonomische Vernunft, sofern sie auf die Erhaltung der Arbeitskräfte abzielte. Ausreichende Vorratshaltung für ‹Interventionsgetreide› gab es in der Tat nur auf den zentralen Höfen der Grundherrschaften, nicht bei den einzelnen Hufeninhabern. Es wurde bei Hungersnot oft genug nur zu Wucherpreisen abgegeben – auch von Bischöfen oder Äbten und trotz entgegenstehender Gebote von König und Synode. Religiöse Gebote zu verwirklichen war volkswirtschaftlich relevant. Ein weiträumiger, interregionaler Getreidetransport war ohnehin nur im Bereich schiffbarer Flüsse möglich. So beschränkten sich die Eingriffsmöglichkeiten des Königs auf unzureichende Maßnahmen wie die erwähnten Preisdiktate und die Verkaufsbereitschaft.
    Die Kosten der Kriege wälzte der König zumal auf die Freien ab. Ihre Belastung durch den regelmäßigen Kriegsdienst wuchs mit den Jahren. Sie erforderte des Königs Eingreifen. Fragmentarische Spuren von «Sozialgesetzgebung» haben sich erhalten. Da hatten sich Kirchenhörige und Fiskalinen aus der Gegend von Le Mans über dieArbeitsbelastung beklagt, und Karl verfügte nun: Wer ein bestimmtes, kleines Ackermaß besaß und ein gesundes Zugtier, sollte einen Tag die Woche für den Herrn pflügen, nicht mehr; bei zu geringer Ausstattung sollte er sich mit anderen zur Erfüllung des Dienstes zusammentun. Wer auch dazu nicht in der Lage sei, sollte seinem Herrn drei Tage die Woche von morgens bis abends Handarbeit leisten. Es sei aber so geregelt, daß einige die ganze, andere die halbe Woche und einige nur zwei Tage pro Woche zu arbeiten hätten. Daran sollen die Hörigen nicht rütteln. Offenbar waren die drei Tage ein Mittelwert für die Gruppe der ärmsten Hörigen. Mehr Arbeitszeit sollte ihnen freilich auch nicht abverlangt werden[ 51 ]. Die restlichen Wochentage konnten sie sich um die eigene Wirtschaft kümmern.
    Die zahlreichen Prekaristenverträge des Klosters Weißenburg verrieten einen Trend unter freien Leuten, sich in dauernde, durch Zinszahlung ausgedrückte Abhängigkeit von schützenden Herren – wie einem Kloster – zu begeben. Solche Verträge führten in keine Hörigkeit. Die von Karl nun Umsorgten sollten abgehalten werden, auf ihre Unabhängigkeit zu verzichten, sich fremden Herren zu ergeben und damit dem ruinösen Kriegsdienst zu entziehen. Karls Sorge nützte somit zugleich dem Erhalt der militärischen Stärke des Königs.
    Der gerade die ‹armen› Freien bedrückende Kriegsdienst sollte geregelt und deren Belastungen reduziert werden. Das Streben nach Gerechtigkeit stieß sich an unkontrollierten Maßen und Gewichten, am chaotischen Münzwesen. Die Synode von Frankfurt verlangte nach Besserung. Das christliche Liebesgebot forderte derartiges. Eine Münzreform wurde eingeleitet. Das Geld, mithin das zu Denaren geprägte Feinsilber, sollte fortan zu Hohlmaß und Schüttgewicht in fester Relation stehen[ 52 ]. Alles mußte gerecht, überschaubar, prüfbar, rational geordnet werden. Karl wurde ein König des Ordnens.
    Der Hunger aber nagte fortgesetzt. «Der allerfrömmste Herr, unser König, setzte mit Zustimmung der Synode fest, daß kein Mensch, er sei kirchlichen oder

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