Karl der Große: Gewalt und Glaube (German Edition)
einige Anhänge erweitern und an Karl übersenden: die sog «Collectio Dionysio-Hadriana». Sie vereinte die Canones der Konzile mit päpstlichen Dekretalen und stellte damit die päpstlichen Rechtsverkündungen auf eine Ebene mit den Konzilsbeschlüssen. «Beachtest du diese Gebote, wirst du vom Glauben nie abweichen» (
A lege numquam discedi haec observans statuta
). Mit diesem Vers übergab der Papst die Sammlung an den Karolinger.
Der Codex authenticus der neuen Sammlung, das von Rom an Karl übersandte Exemplar, verblieb in der königlichen Bibliothek. Alle Abschriften nahmen von hier ihren Ausgang. Sie verbreiteten sich, wenn auch mit einer gewissen Verzögerung, über das gesamteFrankenreich. Ob Karl die römischen Canones zur allgemeinen Norm wünschte? Verwirklicht worden wäre eine solche Planung nicht. Denn keineswegs folgte alles Kirchenrecht der päpstlichen Sammlung. Widersprüchlichkeit war unvermeidbar. Ältere Kollektionen des Kirchenrechts wurden durch sie nicht ersetzt – übrigens auch in Rom nicht. Einheitlichkeit der kanonischen Rechtsnormen schwebte in noch weiter Ferne und wurde unter Karl in keiner Weise erreicht. Wer entschied vor Ort, welche Sammlung den aktuellen Entscheidungen zugrunde gelegt werden sollte? Immerhin, die Regelungsabsicht war evident, während es «in den Niederungen des kirchlichen Alltags recht primitiv und schmutzig zuging»[ 29 ].
Die Übersendung der hadrianischen Sammlung begleiteten programmatische Verse. Karl habe, über die Langobarden triumphierend, den Glauben ergriffen, den er von Kindheit an (
ab oris
) empfangen habe; freudig und glückverheißend rasch sei er zu den Schwellen der Apostel geeilt, habe verlangt, durch das Gebet des Papstes von den Sünden seiner Jugend befreit zu werden und ihm, dem «Lehrer» (
magistro
), zugesichert, «ewig die heilige römische Kirche» und «das Recht des erhabenen Petrus seinem Schutzherrn zu schützen». Er folge der Lehre des apostolischen Stuhles, restituiere dessen Besitz und verdiene das himmlische Reich; auf Erden werde er über alle Feinde siegen. Das Recht erschien weniger als juristische Norm denn als Weisung der Heilsordnung.
So konnte Karl in diesen Begleitversen lesen: «Gott ehren, das göttliche Gebot stets lieben, den rechten Glauben wahren, heiliges Leben schützen, den Himmelspförtner zum Helfer in den Triumphen haben»; «dem Licht der Lehre, dem Glauben des apostolischen Stuhles folgen». Solche Worte dürften, wie der Kontext nahelegt, ein Echo von Karls eigenen Bekundungen vor dem Papst gewesen sein, wenn auch nicht nur. Die ersten fünf Maximen lagen seinem Handeln zugrunde; sie wurden, so gut er es vermochte und ohne sich sklavisch daran zu halten, zur Basis seines Erneuerungsprogramms. Die beiden letzten aber verwiesen den König auf die heilige Autorität des Nachfolgers Petri. Die Gebote des Papstes sollten, so mochte Hadrian hoffen, eine Schutzwehr errichten gegen die Herrschaft des Frankenkönigs über Rom[ 30 ].
«Mit Gottes und Sankt Peters Hilfe» habe Karl die Befestigungen der Langobarden überwunden; «mit Gottes Hilfe und durch Vermittlung der Apostelfürsten Petrus und Paulus kehrt der ruhmreiche König von Rom nach Pavia zurück», das er nach zehnmonatiger Belagerung nahm.
Magnus, christianissimus rex
(«großer», «allerchristlichster König»),
a Deo protectus
(«von Gott geschützt») feierte ihn der «Liber Pontificalis».
A Deo coronatus, magnus
und
pacificus
(«von Gott gekrönt», «groß» und «friedestiftend») hieß er mit kaiserlichen Prädikaten in den Königslaudes, die ihm – jungem fränkischem Brauch folgend – der Papst singen ließ[ 31 ]:
Christus vincit, Christus regnat, Christus imperat./Exaudi Christe./Adriano summo pontifici et universali papae vita/Redemptor mundi. Tu lo iuva./Sancte Petre. Tu lo iuva… Exaudi Christe./Karolo excellentissimo et a Deo coronato magno et pacifico rege Francorum (et Langobardorum) ac Patricio Romanorum vita et victoria/Salvator mundi. Tu lo iuva./Sancte Iohannis. Tu lo iuva
[ 32 ]. Am Schluß wurde «allen Richtern (den Großen und Mächtigen nämlich) und dem gesamten Heer der Franken Leben und Sieg» gleich dem König gewünscht. Mit dem dreifachen Christus-Ruf des Beginns endeten die Laudes.
Kyrie eleison, Christe eleison
. Die Übereinstimmung der fränkischen Königsherrschaft mit der göttlichen Weltordnung und den Heilszielen der Religion manifestierte sich in diesem Lobgesang. «Glorreicher König»,
gloriosus
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