Karlo geht von Bord - Kriminalroman
waren. Er atmete auf. Es dauerte keine zwei Minuten, dann hatte er das gesuchte Buch in der Hand. Ein roter Einband mit einer farbigen Zeichnung des Kunstmuseums Städel in der Mitte.
„Genau das hier habe ich gesucht. Ich müsste das zur Untersuchung mitnehmen. Sie bekommen es wieder.“
„Oh, das ist nicht nötig, nehmen Sie es nur mit. Darf ich Sie fragen, was …“
„Wir müssen es erst selbst genauer anschauen. Wenn wir mehr wissen, melden wir uns. Versprochen.“
Karl Einser steckte das Buch ein und wandte sich zum Gehen.
„Vielen Dank noch für den Kaffee.“
Er hatte das Haus eilig verlassen und sofort Kurs auf das Parkhaus genommen. Auf der Straße war nicht viel los, nur vor dem Café Mozart saßen einige Leute und ließen es sich gut gehen.
Erst als er in seinem Wagen saß, traute Einser sich, das Buch näher in Augenschein zu nehmen. In der Wohnung hatte er es nicht bemerkt. Die Pappe des Buchdeckels fühlte sich uneben an. Jemand schien etwas im Buch versteckt zu haben. Aufgeregt ließ er das Buch aufklappen. Es öffnete sich wie von selbst zwischen Seite 98 und 99. Sein Blick fiel auf einen kleinen flachen Schlüssel, den jemand mit Tesafilm auf Seite 99 befestigt hatte.
Einser war verblüfft. Karlo schien recht gehabt zu haben.
Nachdem er Gerri angerufen und ihm aufgetragen hatte, Karlo zu informieren, fuhr er nach Hause.
Morgen früh würde er mit Gehring sprechen, sich von seinem Hausarzt ein paar Tage frei geben lassen und dann mit dem Buch und dem Schlüssel darin zu Karlo fahren.
Früher Montagmorgen, 19. September
13
In den vergangenen zwei Tagen und Nächten war Gehrings Stimmung alles andere als auf dem Höhepunkt. Wie so oft in letzter Zeit schlief er schlecht und dementsprechend war sein Befinden nach dem Aufstehen. Zu sehr beschäftigte ihn der neue Fall. Er konnte einfach nicht mehr abschalten und diese Tatsache verleidete ihm seine Arbeit immer mehr. Obwohl er seinen Beruf liebte. Es war auch zum Haareraufen: Kölner hatte wirklich ein seltenes Talent, sich und sein Umfeld in Schieflage zu bringen. Er brauchte nicht extra nachzurechnen, das war nun bereits das fünfte Mal, dass er mit ihm während seiner Ermittlungen zusammengestoßen war. Er mochte diesen Chaoten auf eine ganz spezielle Weise. Mit einigen Leuten aus dem Oberräder Motorradclub gab es mittlerweile fast so etwas wie eine Freundschaft. Er dachte an den netten Kuhl und seine Familie und auch der Traktor-Fan Jochen Schwarz mit seinen rumpeligen Sprüchen war ihm durchaus nicht unangenehm. Hier aber gab es nun ein echtes Problem. Am liebsten hätte er den ganzen Kram hingeworfen. Seine Frau Martina bekniete ihn schon seit langem, diesen Beruf aufzugeben. Seit sie die Erbschaft gemacht hatte, wäre es dem Hauptkommissar ein Leichtes gewesen, ein gemächliches Leben als Privatier zu führen. Aber war er wirklich dafür geschaffen?
Gehring fuhr erschrocken aus seinen Gedanken auf, als die Tür aufflog und gegen den Aktenschrank knallte. Reichard. Das war die zweite Unart des Kollegen.
„Können Sie nicht anklopfen wie jeder andere auch, verdammt nochmal?“
„Oh, Entschuldigung, Chef. Aber ich habe einige Neuigkeiten. Raten Sie mal …“, er schaute verlegen zu seinem Chef, auf dessen Gesicht die ersten Anzeichen eines Wutanfalls sichtbar wurden und fuhr dann kleinlaut fort. „Entschuldigung. Aber ich habe wirklich ein paar interessante Dinge.“
„Na gut. Setzen Sie sich.“ Gehring zog seinen Stuhl näher an den Schreibtisch, stützte sich mit den Ellenbogen auf und faltete die Hände. Erwartungsvoll sah er seinem Kollegen in die Augen.
„Also“, begann Reichard und es flackerte unruhig in seinen Augen, „gegen Jeannette Müller liegt eine Anzeige vor. Am letzten Samstag wurde sie in einem Kaufhaus im Hessen-Center beim Ladendiebstahl ertappt. Und wissen Sie auch,
wer
sie dabei überrascht hat?“
Als Harald Reichard sah, wie sich tiefe Furchen in die Stirn seines Chefs gruben, seine Augen auf die Größe von Wagenrädern anwuchsen und er sich langsam aus seinem Schreibtischsessel erhob, fuhr er eilig fort: „Alfons Wurm, der Tote vom Schiff, hat nicht nur als Schauspieler gearbeitet. Er war Kaufhausdetektiv im Hessen-Center. Aber es kommt noch dicker. Die Müller hat ihn in der Vernehmung nach dem Diebstahl der versuchten Vergewaltigung bezichtigt. Bisschen viel auf einmal, was? Das ist doch ein fettes Motiv.“
Das Leuchten in Reichards Augen war dem Hauptkommissar eine Spur zu triumphierend.
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