Karlo geht von Bord - Kriminalroman
Als Einser geendet hatte, fiel die Reaktion Gehrings knapp aus.
„Das war alles?“, kam es Einser kühl ans Ohr.
„Alles, was auf dem Schiff passiert ist, bis ich niedergeschlagen wurde.“
Und das war nicht einmal gelogen.
–
Doch auch der Hauptkommissar hatte dem Kollegen Einser nicht alles auf die Nase gebunden. Den Inhalt des Berichts des Kollegen Schaller, der unauffällig in der Nähe der Wurm’schen Wohnung Stellung bezogen hatte, behielt er grimmig lächelnd für sich.
Montagmittag, 19. September
14
Das Attest des Hausarztes war das geringste Problem gewesen. Einser hatte den Rest der Woche frei.
Das größere Problem war es nun, herauszufinden, welche Art Schlüssel sich in dem Buch befand. Auf dem Weg zu Kuhls Haus in Rumpenheim fiel ihm nur ein Schließfach ein. Das war die einzige sinnvolle Möglichkeit. Und die Notiz in dem Taschenkalender war eine verschlüsselte Gedankenstütze für Wurm selbst. Und vielleicht in weiser Voraussicht ein Hinweis für seine Frau Beate oder wen auch immer, wenn ihm etwas zustoßen sollte. Wenn dem so war, hatte es ja funktioniert. Aber wo befand sich das Schließfach? Nun, das sollte man herausfinden können.
–
Gerri und Karlo waren früh aufgestanden und hatten zusammen gefrühstückt. Viel war nicht gesprochen worden, die übliche Kommunikation zwischen zwei Morgenmuffeln. Gerri war anschließend auf die Arbeit gefahren und Karlo wartete nun auf seinen Freund Karl Einser.
Karlo lehnte sich auf dem Sofa zurück und entspannte sich. Kurz bevor ihn der Schlaf übermannte, schreckte er hoch. Jeannette! Der Wein! Das hatte er beinahe vergessen, puh. Er musste telefonieren. Hoffentlich war Kristin noch unten, Wolfhard war wohl schon zur Arbeit unterwegs.
Doch Kristin hatte den Vormittag bis elf Uhr frei, was ihr eigentlich gar nichts brachte. Die Dienstpläne des Krankenhauses waren nicht immer zuverlässig. Öfter schon hatte sich Kristin geärgert, dass die Pläne plötzlich geändert wurden. Ein freies Wochenende oder gar ein kürzerer Urlaub zwischendurch waren dadurch kaum planbar. Es gab Angestellte, die vermuteten, es stecke ein System dahinter. Doch für Karlo war Kristins freier Morgen ein gewisser Vorteil: Er konnte vom Festnetz der Kuhls telefonieren.
Karlo bemerkte zwar, dass Kristins Ohren wuchsen, als er Alex Hamberger am anderen Ende der Leitung begrüßte. Es war ihm jedoch egal. Außerdem konnte er Kristin ja nicht aus der eigenen Wohnung schicken. Trotzdem sprach er nicht allzu laut.
„Alex. Gut, dass ich dich erreiche. Es geht um deine neuen, äh, Geschäftsverbindungen. Kannst du mal nachfragen – ich bräuchte da etwas ganz Spezielles. Einen guten Wein. Ich meine einen sehr guten Wein. Und jetzt pass gut auf …“
Es war wie ausgerechnet. Als Karlo wieder Gerris Wohnung betrat, klingelte es.
Kurz darauf saßen sich Einser und Karlo gegenüber und Karlo starrte auf den Schlüssel im Buch.
„Schließfach“, orakelte er knapp. Dann ließ er sich zu einer weiteren Erläuterung herab. „Schau hier, hast du die Nummer nicht gesehen? Alles andere macht überhaupt keinen Sinn. Unser Schauspieler hat irgendwas Wichtiges bunkern wollen.“
„Vielleicht hat er jemanden erpresst?“, vermutete Einser.
„Du denkst auch immer nur ans Schlechte in den Menschen, Karl. Das ist nicht gut.“
„Ich kenne
dich
, Karlo. Das ist stark meinungsbildend.“
„Ich habe noch nie jemanden erpresst.“
„Sicher?“
„Jetzt hör aber auf, du Blödmann. Also: Wir gehen erst einmal von einem Schließfach aus. Was bleibt uns anderes übrig?“
„Aber wo?“
„Fangen wir mal ganz unkompliziert an. Wo hat Wurm gewohnt?“
„Na, in der Töngesgasse.“
„Gut. Und wo sind da die nächsten Schließfächer?“
„Unter der Hauptwache?“
„Siehst du. Und da probieren wir es zuerst.“
–
In der Berliner Straße, kurz vor der Paulskirche, hatten sie einen Parkplatz gefunden. Und das mit Einsers Chevrolet Suburban. Ein Sechser im Lotto. Man konnte von dem Wagen halten, was man wollte – zu der beeindruckenden Statur des Hundeführers passte er. Einser hatte eine Münze eingeworfen und den Parkzettel hinter der Scheibe platziert. Eine Stunde, das müsste reichen.
Dann waren beide Richtung Hauptwache gelaufen. Vor der Rolltreppe zur B-Ebene blieb Einser abrupt stehen.
„Verdammt! Ich hab die Tasche nicht weggeräumt!“
„Was für eine Tasche?“
„Meine Fototasche. Ich hab mir gerade eine neue Kamera gekauft. Eine Nikon, die war nicht
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