Karlo geht von Bord - Kriminalroman
sehen.
Er hatte seine Uniform angezogen, sich ins Auto gesetzt und war zur Wohnung der Wurms in die Töngesgasse gefahren. Das Auto hatte er im Parkhaus abstellen müssen, hier einen Parkplatz zu bekommen war wie ein Lottogewinn.
Die Witwe hatte ihm gleich nach dem Klingeln die Haustür geöffnet. Er spürte immer noch eine gewisse Unruhe, als er die Treppe zur Wohnung im ersten Stock hochstieg.
Vor der Tür atmete er noch einmal tief durch, dann drückte er erneut auf die Klingel. Er erkannte, wie er durch den Spion beäugt wurde, dann ging die Tür auf.
Beate Wurm sah schrecklich aus. Sie war unfrisiert, die Haare hingen ihr wirr über ihre völlig verweinten Augen. Das Gesicht wirkte aufgedunsen und Einser vermutete sogleich, sie habe möglicherweise zu sehr Trost in hochprozentiger Seelenmedizin gesucht. Als sie ihn ansprach, bestätigte sich sein Verdacht. Eine scharfe Alkoholfahne schlug ihm entgegen. Unwillkürlich trat er einen halben Schritt zurück.
„Haben Sie schon was herausgekriegt? Habt Ihr das Schwein gefasst, das meinen Mann ermordet hat?“
Die Stimme klang rau und hatte einen verhärmten Unterton.
„Entschuldigen Sie bitte die Störung“, begann er behutsam. „Ich weiß sehr gut, wie Ihnen zumute ist und was Sie momentan mitmachen.“
„So? Wissen Sie das?“
Einser schaute sie ernsthaft an, ignorierte die Frage und zuckte entschuldigend mit den Schultern, als er weiterredete.
„Es tut mir leid. Wir haben den Mörder noch nicht. Wir verfolgen jedoch einige interessante Spuren. Und genau dazu habe ich eine dringende Frage. Sie können uns vielleicht helfen, auch wenn Ihnen die Frage auf den ersten Blick seltsam vorkommen mag.“
Beate Wurm fuhr sich nervös mit der Hand durch die Haare. Die Frisur wurde dadurch nicht ordentlicher, die Haare fielen wieder nach vorn in die Stirn und vor die Augen.
„Dann fragen Sie eben.“
„Gut. Liest – entschuldigen Sie – las Ihr Mann Bücher? Kriminalromane eventuell?“
Wurms Witwe guckte verständnislos.
„Warum wollen Sie das denn wissen?“
Sie sah, wie eine leise Ungeduld sich auf Einsers Miene breitmachte und lenkte ein.
„Wollen Sie nicht hereinkommen?“
„Vielen Dank. Ich werde Sie auch bestimmt nicht lange aufhalten.“
Der Polizist trat ein und Beate Wurm wies ihm mit der Hand den Weg ins Wohnzimmer. Er schaute prüfend um sich. Auf dem Tisch stand eine halbvolle Flasche Weinbrand. Daneben eine leere Kaffeetasse und eine Thermoskanne.
„Es ist schon in Ordnung. Sie machen doch nur Ihre Arbeit. Möchten Sie einen Kaffee? Ist gerade frisch durchgelaufen.“
Sie wartete die Antwort Einsers nicht ab, holte eine zweite Tasse und schenkte sich und Einser ein. Ihrer Tasse gönnte sie noch einen größeren Schuss aus der Weinbrandflasche.
„Möchten Sie auch? Aber Sie dürfen wahrscheinlich nicht. Sind im Dienst, nicht wahr? Sie müssen entschuldigen, ich brauche etwas für meine Nerven.“
Sie trank einen Schluck und schüttelte sich angewidert.
„Also, was wollten Sie wissen? Ach so“, erinnerte sie sich, „die Krimis. Ja, wissen Sie, mein Mann hat viele Krimis gelesen. Er hat immer versucht, sich Anregungen zu holen. Für seine Theaterstücke.“
„Er hat selbst Stücke geschrieben?“
„Ach, hören Sie mir nur auf. Er hat keinen Erfolg gehabt damit, wissen Sie. Es hat niemanden interessiert. Vielleicht waren sie auch nicht gut genug, ich kann es nicht sagen.“
Fragend schaute sie den kräftigen Polizisten an.
„Und das hilft Ihnen jetzt? Wie kann ich das verstehen?“
Einser wurde langsam nervös. Er musste sehen, dass er hier wieder wegkam, bevor die Kollegen der Kripo auf die Idee kamen, ebenfalls hier aufzutauchen. Was sicherlich noch passieren würde.
„Wo befinden sich denn die Bücher Ihres Mannes?“
„Er hat ein Bücherregal in seinem Zimmer. Eigentlich ist es ja das Arbeitszimmer. Da stehen alle seine Bücher drin.“
„Könnte ich mir das Zimmer ansehen?“
„Nun, was sollte ich dagegen haben? Wenn es Ihnen weiterhilft.“
„Ich hoffe es, Frau Wurm. Ich hoffe sehr, dass uns das hilft.“
„Dann kommen Sie mit, wir gehen rüber.“
Einser schaute sich im Zimmer um. Es war alles genau so, wie Karlo es beschrieben hatte. Er begutachtete zuerst den Schreibtisch, als er nichts Neues fand, wandte er sich dem Bücherregal zu. Das waren mehrere hundert Bücher, schätzte er, na prima. Seine Laune wollte schon schlechter werden, da bemerkte er, dass die Bücher penibel nach Alphabet geordnet
Weitere Kostenlose Bücher