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Karma Girl

Titel: Karma Girl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanuja Desai Hidier
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Indien war. Denn in Amerika war ich manchmal zu indisch, okay, aber in Indien war ich definitiv nicht indisch genug.
    Ach ja, Indien. Ich hatte nicht viele Erinnerungen an dieses Land, aber die, die ich hatte, waren absolut klar: wie ich als kleines Mädchen in einem Eimer badete. Der Geschmack der besonders fetten Büffelmilch. Dadaji, wie er heißen Tee in eine Schüssel goss, damit er schneller abkühlte, und dann den Tee vom dünnen Schüsselrand schlürfte, ohne zu kleckern. Die ganze Reihe von Küchengöttern, die sich scheinbar pudelwohl in dem Raum ohne Spülmaschine und Mikrowelle fühlten. Meera Maasi – meine Tante, die Schwester meiner Mutter –, wie sie auf dem Boden hockte und mit einem Sieb den Reis von kleinen Steinchen trennte. Kühe, die in der Mitte des Gemüsemarktes hockten und auf deren Rücken Spatzen nisteten. Hibiskusblüten, die so stark leuchteten, als hätten sie Feuer gefangen. Kinder mit roten Haaren, die in alten Reifen wohnten. Das unentwegte Anblinzeln gegen Sonne und Staub. Die köstlichste Orangenlimonade, die ich je getrunken habe.
    Aber größtenteils bestanden meine Erinnerungen an Indien aus Erinnerungen an Dadaji. Als er starb, schien sich das gesamte Land loszureißen und aus meiner geistigen Landkarte fortzuschwimmen, bis es an der Kante hinunterfiel und nur noch ein mit Wasser gefülltes Loch zurückließ. In dem Augenblick brannte sich das Land, so wie ich es bis dahin kannte, in mein Gedächtnis ein. Als mich mein Großvater zum letzten Mal sah, blickte er mich an, als könne er seinen Augen nicht trauen. Er redete mich mit dem Namen meiner Mutter, Shilpa, an, und als sie schließlich hinter mir auftauchte und ihm der Fehler bewusst wurde, machte sich all die Last der Zeit, die zwischen unseren Besuchen lag, auf seinen gebeugten Schultern bemerkbar. Doch im Prinzip sah er aus wie immer, mit seinem weißen Lungi und dem vertrauten karierten Hemd – erst später begriff ich, dass es vorher meinem Vater gehört hatte.
    Tatsächlich war es so, dass alle möglichen Gegenstände auf mysteriöse Weise aus unserem Haus in Springfield verschwanden und wieder in der kleinen Wohnung auftauchten, in der Dadaji zusammen mit Meera Maasi, Dilip Kaka und meinen Cousinen lebte. Einst lebten noch mehr Menschen in dem Haushalt: Dadaji hatte bereits den Scheiterhaufen seiner Frau anzünden und später dasselbe bei seinem Sohn Sharad tun müssen, an den ich mich, genau wie an meine Großmutter, nur vage erinnern kann. Dadaji überstand all diese schmerzlichen Ereignisse, bis er eines Tages, als er gerade mit einem Strauß Goldblumen für den Morgen-Pooja aus dem Gar ten kam, auf seinen Chappals ausrutschte und unglücklich aufschlug, die Blumen unter seiner Hüfte. Wie schnell eine kleine Sache doch manchmal eine große Ver letzung herbeiführen konnte.
    Meine Cousinen waren ein bisschen älter als ich. Sangita, die Ruhige, trug von klein auf eine Brille, die aus dem Glas einer Limo-Flasche gemacht war. Ihre Augen verschwanden hinter den dicken Gläsern und der Rest von ihr verschwand mehr oder weniger hinter Kavita. Kavita, die sich zurzeit an der New York University hinter Büchern versteckte, um während eines intensiven Sommerprogramms verhauene Seminare wieder gutzumachen, war immer ziemlich ausgelassen: Sie kippelte mit dem Stuhl, kletterte auf Bäume, und ihr lautes Lachen schallte durch die Äste, während sie wie ein Äffchen im Wipfel herumsprang. Die beiden trugen immer Klamotten, von denen ich entweder ganz vergessen hatte, dass ich sie besaß, oder die ich schon vollkommen frustriert in allen Schränken bei uns zu Hause gesucht hatte.
    Ich war die amerikanische Cousine, die Prinzessin, die Glückliche: Kavita hörte nie auf, mir in die Wange zu zwicken, was ich hasste, und beide kicherten ständig, selbst wenn ich gar nichts Lustiges sagte. Und sie waren nicht zu bremsen, wenn es darum ging, etwas über Amerika zu erfahren. Hatte ich jemals einen Fahrstuhl benutzt? Redeten die Mädchen in der Schule mit den Jungs? (Weit aufgerissene Augen, als ich dies bejahte.) Stimmte es, dass die Geschäfte die ganze Nacht über beleuchtet waren? Und gab es tatsächlich Supermärkte, die ganze Gänge mit nur einem Produkt und sich auf wundersame Weise von selbst öffnende Türen besaßen? Hatte ich jemals einen Cowboy kennen gelernt? (Kavita begann, mich ihre Cowboy-Cousine zu nennen, als ich ihr erzählte, ich sei schon auf einem Pferd geritten.) Sie wunderten sich darüber, wie viel ich

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