Karneval der Alligatoren
seine
Bewegungen. Plötzlich trat Kerans auf das offene Schnappschloß eines Halsbandes
und stolperte unwillkürlich gegen eines der Sofas.
Während er an der Wand dahinter nach
Halt suchte, warf sich Cäsar mit einem riesigen Sprung auf ihn, das Messer
schwang er in kurzem Bogen durch die Luft. Beatrice schrie auf, aber der
dröhnende Schuß aus dem Colt übertönte sie. Kerans wurde vom Rückstoß auf das
Sofa geschleudert; der Mulatte stürzte gekrümmt gegen den Türrahmen, das Messer
fiel ihm aus der Hand. Ein blubberndes Grunzen kam aus seiner Kehle, mit
letzter Anstrengung, aus Wut und Schmerz zugleich, riß er den ganzen
Perlenvorhang vom Türstock herunter. Zum letztenmal zuckten seine gewaltigen
Muskeln, dann fiel er, in den Vorhang gewickelt, zu Boden, die Perlen klirrten
aneinander und rollten in alle Richtungen.
»Beatrice, los!« Kerans packte sie
beim Arm, vorbei an der liegenden Gestalt, in den Vorraum. Seine rechte Hand
und der Unterarm waren vom Schuß noch wie gelähmt. Sie gingen durch den
Alkoven, rannten an der verlassenen Bar vorbei. Oben schrie jemand von der
Kommandobrücke, sie hörten Schritte an Deck.
Kerans blieb stehen, betrachtete
Beatrices faltenreiches Kleid und gab seinen Plan auf, mit ihr auf dem gleichen
Weg zu fliehen, den er zum Einstieg benützt hatte.
»Wir müssen es über die Laufplanke
versuchen.« Er deutete auf den unbewachten Ausgang an der hinteren Reling –
Putti mit Flöten an den kirschroten Lippen tanzten dort einladend zu beiden
Seiten der Stufen. »Ein bißchen auffällig, aber es ist jetzt der einzige
Ausweg.«
Als sie schon beinahe unten waren,
fingen die Planken an zu schwanken, und sie hörten, wie der Admiral ihnen etwas
zurief. Gleich darauf knallten Schüsse, die Kugeln schlugen in die Klappdecke
über ihnen ein. Kerans duckte sich und sah genau über ihnen die Spitze des
Gewehres in die Luft stehen.
Er sprang auf den Platz, nahm
Beatrice um die Taille und half ihr hinunter. Sie duckten sich zuerst dicht
unter den Schiffsrumpf, dann rannten sie über den Platz in die nächstbeste
Straße.
Auf halbem Wege blickte sich Kerans
um und sah am anderen Ende des Platzes eine Gruppe von Strangmans Leuten
auftauchen. Der Admiral rief sie an, sie schrien zurück, dann sahen sie
Beatrice und Kerans. Er wollte weiterlaufen – den Revolver hielt er immer noch
in der Hand –, aber sie hielt ihn zurück.
»Schau doch, Robert, schau!«
Von der anderen Seite der Straße
kamen andere Matrosen; Arm in Arm in einer Reihe, die von Mauer zu Mauer
reichte, in ihrer Mitte ein weißgekleideter Mann. Er marschierte gemächlich
dahin, einen Daumen in den Gürtel eingehakt, mit dem anderen Zeichen gebend.
Kerans wandte sich um und zog
Beatrice schräg über den Platz; die andere Gruppe hatte sich aufgelöst und
schnitt ihnen den Weg ab. Vom Schiffsdeck wurde eine Leuchtrakete abgefeuert,
der ganze Platz war hellrot illuminiert.
Beatrice blieb stehen, sie war außer
Atem. Hilflos stand sie mit dem gebrochenen Absatz ihrer goldenen Sandale in
der Hand da. Unsicher sah sie den Männern entgegen, die auf sie zukamen.
»Robert – das Schiff! Versuch allein wieder hinzukommen.«
Kerans nahm sie beim Arm und zog sie
in den Schatten unter der vorderen Schraube, wo das Gewehr von der Brücke sie
nicht erreichen konnte. All die Anstrengung hatte ihn völlig erschöpft, sein
Atem ging stoßweise, er konnte kaum den Revolver ruhig halten.
»Kerans ...« hörte er Strangman ohne
jede Aufregung rufen. Er kam gemächlich näher, blieb aber außer Reichweite des
Colts. Seine Männer standen schützend neben ihm. Alle trugen Macheten und
Pangas, sie sahen freundlich und gemütlich aus.
»Finito – Kerans – finito.« Strangman
blieb gute sechs Meter vor Kerans stehen und lächelte ihn an; es sah aus, als
habe er Mitleid mit ihm. »Tut mir leid, Kerans, aber Sie werden wirklich ein
bißchen lästig. Werfen Sie das Schießeisen weg, sonst töten wir Fräulein Dahl
auch.« Er wartete einige Sekunden lang. »Ich meine das ernst.«
Kerans konnte endlich wieder reden.
»Strangman ...«, fing er an.
»Kerans, wir haben wirklich keine
Zeit für metaphysische Diskussionen.« Strangmans Stimme klang jetzt verärgert,
als rede er mit einem unfolgsamen Kind. »Wirklich, keinerlei Zeit, weder für
Gebete noch sonst was. Ich habe Ihnen schon gesagt, lassen Sie das Schießeisen
fallen. Meine Leute glauben, daß Sie Fräulein Dahl entführt haben, sie werden
ihr nichts tun.« Und dann setzte er in
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