Karneval der Toten
befanden sich in der Nähe von Ada Crisps Gebrauchtmöbel-Emporium. Ihr Jack-Russell-Terrier, der auf seinem Stammplatz, einem Hocker draußen vor dem Laden, saß, fing an zu bellen, wie jedes Mal, wenn jemand vorbeigeschlendert kam. Das Hundeparadies könnte auf Erden herabsteigen – er würde trotzdem bellen.
»Mum hat hier eine Freundin, die wollte sie besuchen.«
»Warum bleibst du denn dann nicht bei deiner Mum, anstatt mir hinterherzulaufen?«
»Ich wollte doch was sehen.«
»Na, das hast du ja – ach, halt’s Maul !«, fuhr Melrose den Kläffer an. »Jetzt bist du schon gut über eine Stunde weg, vermutlich viel länger. Glaubst du nicht, deine Mutter fragt sich, wo du bloß steckst?«
»Nein. Um vier soll ich zurückkommen, und so spät ist es noch lang nicht. Wir haben einen Haufen Zeit.«
Melrose brach in schallendes Gelächter aus. »Ach ja, haben wir das? Und muss ich auch bis vier wieder zurück sein?«
Inzwischen hatten sie die Eingangstür zu Wrenns Büchernest erreicht, und Melrose musste gestehen, dass er neugierig war, was Polly von Theo Wrenn Browne halten würde. Und er von ihr. »Hier ist der Buchladen. Komm!«
»Nun, Mr. Plant. Sie haben unser Geschäft ja schon lange nicht mehr beehrt. Haben Sie etwa den neuen Waterstone’s in Sidbury besucht?« Er wackelte mit dem knochigen Finger vor Melrose herum, bis sein Blick hinunter auf Polly fiel. Sein schleimiger Tonfall wurde belehrend. »Ich glaube, dich kenne ich noch gar nicht, mein liebes -«
Keine Reaktion von Polly. Nur ein vielsagender Blick.
»- wir wollen uns aber schön an alle Regeln in der Kinderecke halten, ja? Wir wollen doch unsere hübschen Bücher nicht beschädigen, was?«
Polly starrte ihn weiter unverwandt an, bis es ihm unangenehm wurde und er den Blick auf Melrose lenkte. »Im Januar suchten Sie doch Bücher über amerikanische Rennpferde. Ich habe da ein paar hereinbekommen, die finden Sie, glaube ich...«
Um ihn zum Schweigen zu bringen, fiel Melrose ihm ins Wort. »Grassoden, Mr. Browne. Soden und Krume. Architektonische Gärten. Und meine Freundin hier wird bestimmt etwas Lohnendes in der Kinderecke finden.«
Dies war ein Bereich des Ladens, den Theo Kindern zugewiesen hatte. Nicht weil er sie gut leiden mochte (das tat er nämlich nicht), sondern weil er nun mit genau der Bücherei konkurrieren musste, deren Schließung er vor einiger Zeit so eifrig betrieben hatte. Die Bücherei, durch das Café mittlerweile zu Geld gekommen, war ein echter Erfolgsschlager. Die Erweiterung, ein angebauter Kindertrakt, war unter der Ägide von Miss Twinney entstanden.
Die wundersame Rettung vor der drohenden Schließung war in erster Linie Marshall Trueblood zu verdanken, der dem Etablissement mit seiner Idee von einem Caféstübchen zu immenser Popularität verholfen hatte. Dies war ein weiterer Grund, weshalb Theo Wrenn Browne ihn so hasste. Theo war tatsächlich so in Wut geraten, dass er buchstäblich schäumte. Ständig wurde er von Trueblood übertrumpft, am brillantesten damals in der Nachttopfaffäre, einer legendären Begebenheit in Long Piddleton, von der die Leute heute noch redeten.
»Pass aber hübsch auf«, sagte er zu Polly, die jedoch gar nicht hinhörte, sondern mit ihren großen braunen Augen sämtliche Regale absuchte.
Polly mochte Bücher, dachte Melrose.
An Melrose gewandt, sagte Theo: »Gartenbau, aber selbstverständlich haben wir darüber eine ganze Menge Bücher.« Er hob die an Angeln befestigte Ladentischklappe hoch und kam auf die andere Seite herüber.
In der Zwischenzeit hatte sich Polly in die Kinderbuchabteilung verzogen.
»Nicht über Gartenbau als solchen, sondern über Rasenplaggen, Erdkrume, Grassoden. Und über Cloisonnégärtchen.«
»Das ist schon schwieriger. So was Spezielles. Cloisonnégärtchen, du meine Güte.«
Melrose folgte ihm zu den Regalen im rückwärtigen Teil des Ladens, wo Theo ein Gartenbuch nach dem anderen hervorzog. Zwei davon waren derart enorme Schmöker, dass Melrose fand, als Kniestütze beim Graben und Setzen würden sie wohl bessere Dienste leisten denn als Leitfäden. Er betrachtete sie kurz und verwarf sie umgehend. Sein Blick fiel auf eines mit dem Titel Der heitere Gärtner . Er zog es hervor und fing an zu blättern.
Theo lächelte verächtlich. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass das was für Sie ist. Sie kommen mir nicht vor wie einer, der es mit diesen östlichen Glaubensrichtungen hat.«
Solange Theo dagegen war, war Melrose dafür. »Ich
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