Karneval der Toten
schönen Möbelstücken. Trueblood besaß einen exquisiten Geschmack.
»Ich brauche etwas über Cloisonné«, sagte Melrose an Truebloods Rücken gewandt.
Der Rücken drehte sich um. »Hat jemand den Wettbewerb gewonnen?«
Melrose seufzte. »Sind Sie immer noch mit dieser dämlichen Ziegenbocknamensgebung beschäftigt?«
»Dämlich? Soweit ich mich erinnern kann, war Ihnen todernst damit. Sie wollten nicht, dass sich jemand auf Kosten Ihres Ziegenbocks einen Spaß erlaubte.« Er gluckste vergnügt und hielt ein schönes Kristallglas ins trübe Sonnenlicht. »Cloisonné, ja, darüber habe ich ein Buch.« Trueblood trat hinüber zu einem Stapel Bücher auf dem Fußboden (da in den Regalen kein Platz mehr war), zog eines hervor und reichte es Melrose.
Der blätterte den voluminösen Band durch, wie Polly vorhin ihr Schwein - Patrick -Buch durchgeblättert und vermutlich ebenso viel Erleuchtung daraus gewonnen hatte. »Aber das ist ja Schmuck.«
»Ja? Emailleschmuck. Bunt emaillierte Stückchen in irgendeiner Fassung eben.«
»Nein, ich brauche etwas, was mit Gartenbau zu tun hat.«
»Da bin ich überfragt, alter Kämpe. Da habe ich, glaube ich, nichts. Ehrlich gesagt, ich weiß überhaupt nicht, was das ist.«
Melrose stöhnte. »Ich soll morgen nach Cornwall fahren und den Experten spielen, dafür und für das Belegen von Treppenstufen mit Rasenplaggen.«
Trueblood stieß ein blubberndes Geräusch aus, seine Reaktion auf die Vorstellung, Melrose könnte »Experte« auf irgendeinem Gebiet sein. »Nehmen Sie es mit.«
» Das hier? Aber ich sagte doch gerade...«
»Wenn Sie mit diesem Cloisonnégarten oder was auch immer herummachen, beeindrucken Sie die Leute bestimmt dadurch, dass Sie auf diesem Gebiet so viel wissen, und können es sich leisten, sich exzentrisch zu geben.«
»Marshall, Sie haben ja keine Ahnung, wovon Sie reden.«
»Natürlich nicht.« Er hielt ein kleines silbernes, mit Edelsteinen besetztes Kruzifix in der Hand. »Das ist ja der Witz dran, oder nicht? Da Sie keinen blassen Dunst haben von der Gartenoder Blumenspielart von Cloisonné, tun Sie eben so, als wüssten Sie derart viel, dass Ihr Wissen einfach ins Cloisonné-Handwerk im Allgemeinen überschwappt.«
Melrose ließ es sich durch den Kopf gehen. Es war genau die Art von verrückter Idee, die ihnen beim geselligen Beisammensein im Jack and Hammer einfallen würde. Also keine schlechte. »Gehen wir was trinken.«
»Bevor ich mich schlagen lasse.« Trueblood ließ das Kruzifix auf den Tisch fallen, und sie gingen hinaus.
Sie stand nicht mehr dort, stellte Melrose bei einem Blick über die Straße erleichtert fest. Doch dann fragte er sich, wo sie war.
15
Die Kirche war düster und fast vollkommen schmucklos, abgesehen von dem Rosettenfenster hinter ihnen im Rücken, den in Grüppchen zusammenstehenden Kerzen und ein paar düsteren Skulpturen.
Zu seiner Überraschung hatte Jury erfahren, dass Sarah an ihrem presbyterianischen Glauben festgehalten hatte und nicht zu Brendans römisch-katholischem übergetreten war. Er zollte ihr Bewunderung dafür, dass sie sich nicht hatte beirren lassen – bestimmt hatte es deswegen einen Familienzwist gegeben, aber nicht mit Brendan selbst (einem der tolerantesten Zeitgenossen, denen Jury je begegnet war), sondern mit Brendans Verwandten, die sicher Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hatten, um sie zum Übertritt zu bewegen.
Im Moment des stillen Gebets, das einem (ihm selbst wie übrigens den meisten Anwesenden) unbekannten Kirchenlied folgte, hielt er den Kopf gesenkt und dachte darüber nach, wie Sarah es geschafft hatte, die Schwiegereltern abzublocken, obwohl sie in ihrer eigenen Familie niemanden auf ihrer Seite hatte. Das war sicher sehr schwer gewesen.
Als das stille Gebet vorbei war, setzte sich die Prozession zur Grabstätte in Bewegung. Eine beachtliche Anzahl von Leuten hatte sich eingefunden, zweifellos waren es alles Freunde von Brendan. Der sah irgendwie verbraucht aus – das Gesicht düster und wächsern, das Herz gebrochen. Man konnte es ihm ansehen.
Die Mädchen, Christabel und Jasmine, dazu Chastity, die jüngste, standen dicht aneinandergedrängt, der sechzehnjährige Dickie etwas abseits. Es war schon bemerkenswert, wie sie alle aufgezogen worden waren in dieser kleinen Wohnung mit dem abgetrennten Esszimmer, das als zusätzliches Schlafzimmer diente. Brendan war dankbar für die Wohnung gewesen und froh, dass der Vermieter sie nicht vor die Tür gesetzt
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