Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
ihm zu vergeben?
»Du solltest dich außerdem stärken, bevor du zu Romanov gehst. Du hast mich eben sehr geschwächt, und - verzeih mir den geschmacklosen Karpatianerscherz - ich erwarte, dass du mein Abendessen mit nach Hause bringst.«
Verblüfft sah Mikhail sie an, doch dann brach er in schallendes Gelächter aus. »Zieh dich an«, meinte er in gespielter Strenge. »Ich will nicht, dass du meinen armen Bruder ebenso peinigst wie mich.«
»Das beabsichtige ich aber. Jacques muss dringend lernen, nicht immer alles so bitter ernst zu nehmen.«
»Dabei ist Jacques noch der Karpatianer mit dem ausgeprägtesten Humor. Er hat seine Empfindungen viel länger behalten als alle anderen; er verlor sie erst vor etwa zweihundert Jahren.«
»Dafür ist es ihm aber ernst damit, Frauen herumzukom-mandieren. Offenbar macht er sich genaue Vorstellungen davon, wie wir uns zu verhalten haben. Ich gedenke, ihm diese Flausen auszutreiben.«
Mikhail hob in gespieltem Entsetzen die Augenbrauen.
»Dann wird er ja alle Hände voll zu tun haben. Ich bitte dich um einen Gefallen, Kleines: Sei nicht zu hart zu ihm.«
Sie lachten beide, als sie sich anzogen.
332
Kapitel 13
Man hatte Rudy Romanov starke Beruhigungsmittel verabreicht. Mikhail nahm den Geruch der Medikamente voller Abscheu wahr. Der Gedanke, so verunreinigtes Blut zu sich nehmen zu müssen, war ihm zuwider. Doch es musste sein, denn nur so konnte er jederzeit Romanovs Gedanken lesen.
Raven hatte ihm all ihre Zuversicht und Liebe mit auf den Weg gegeben, und Mikhail fühlte sich daran gebunden. So sehr seine Seele auch nach Romanovs Tod verlangte, vermochte er doch nicht, Ravens Vertrauen zu enttäuschen.
»Dann gestatte mir, es zu tun«, bat Gregori leise, der Mikhails Verlangen nach Rache spürte.
»Deine Seele schwebt in großer Gefahr«, erwiderte Mikhail.
»Der Fortbestand unserer Rasse ist dieses Risiko wert.
Romanov ist eine zu große Bedrohung für uns. Wir sollten uns eigentlich damit befassen, nach Frauen zu suchen, die Gefährtinnen für unsere Männer sein könnten, nicht damit, fanatische Vampirjäger abzuwehren. Ich glaube, dass es nur eine Hand voll Frauen gibt, die über telepathische Fähigkeiten verfügen und die eine Verbindung mit einem Karpatianer eingehen können.«
»Und worauf stützt sich deine Meinung?«, fragte Mikhail leise, jedoch mit einem drohenden Unterton. Es galt als unentschuldbares Vergehen, Experimente an Frauen durchzuführen.
Gregoris helle Augen glitzerten silbrig. Finsternis breitete sich unaufhaltsam in ihm aus wie ein düsterer Schatten, der seine Seele verdunkelte. Er gab sich keine Mühe, seinen Zustand vor Mikhail zu verbergen, sondern schien dem Freund sogar zeigen zu wollen, wie es um ihn stand und wie dringend eine Lösung gefunden werden musste. »Ich habe 333
in meinem Leben viele hässliche, unverzeihliche Dinge getan, würde aber nie eine Frau für meine Studien missbrauchen. Wenn du darauf bestehst, Romanov am Leben zu lassen, muss ich derjenige sein, der sein Blut aufnimmt«, fügte Gregori mit Bestimmtheit hinzu.
Es hatte den beiden Karpatianern keinerlei Schwierigkeiten bereitet, sich unbemerkt durch die schmalen Korridore der psychiatrischen Abteilung des Krankenhauses zu bewegen. Die Menschen um sie herum nahmen nichts als einen plötzlichen kühlen Lufthauch wahr. Mikhail und Gregori schlüpften als dunkle Nebelschwaden durch das Schlüsselloch in das Krankenzimmer, waberten durch den Raum und bedeckten Romanovs Körper wie ein Leichen-tuch. Ängstlich schrie Romanov auf, als er spürte, wie sich die Nebelschwaden um seine Arme und Beine wanden, über seinen Brustkorb glitten und sich schließlich fest um seinen Hals schlangen. Deutlich spürte er den Druck, sein Körper schien sich im Griff eines Schraubstocks zu befinden, doch als Romanov nach den Nebelschwaden griff, fassten seine Hände ins Leere. Unheimliche zischende Stimmen wisperten ihm drohend ins Ohr, so leise, dass sie eher zu erahnen denn zu hören waren. Romanov hielt sich verzweifelt die Ohren zu. Dünne Speichelfäden rannen ihm aus den Mundwinkeln, und er schluckte krampfhaft.
Der Nebel teilte sich; einige Schwaden zogen in eine Ecke des Raumes und schwebten dicht über dem Boden. Die übrigen verdichteten sich allmählich und formten die Gestalt eines großen, breitschultrigen Mannes mit hellen, gefährlich schimmernden Augen. Rudy begann zu zittern und versuchte, sich im Bett zusammenzukauern. Die Erscheinung wirkte so klar und
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