Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
Stöhnen aus ihrer Kehle drang. Einen Arm nach hinten gebogen, lag sie auf dem Boden, und ihr Handgelenk schien in einer eisernen Zwinge zu stecken. Sie bewegte den Arm, um ihre Hand 59
frei zu bekommen, aber der Griff verstärkte sich und drohte, ihre zarten Knochen zu brechen. Ihr Herz machte einen Satz, und sie tastete mit ihrer freien Hand ihre Kehle ab, als ihre Erinnerung zurückkehrte. Ihr Hals war geschwollen und wund, die Haut aufgerissen. Ihr Mund fühlte sich seltsam an, und ein leicht metallischer Geschmack lag auf ihrer Zunge.
Sie hatte zu viel Blut verloren, das wusste sie sofort.
Ihr Schädel schien unter einem Druck zu zerbersten, der immer stärker wurde. Shea wusste, dass dieses Wesen dafür verantwortlich war, dass es versuchte, in ihr Bewusstsein einzudringen. Während sie vorsichtig ihre Lippen befeuchtete, schob sie sich Zentimeter für Zentimeter nach hinten, näher an den Sarg heran, um den Druck von ihrem Arm zu nehmen. Seine Finger schlossen sich immer noch wie Handschellen um ihr schmales Gelenk. Shea wusste, sie würden ihre Knochen zerquetschen, wenn sie jetzt eine falsche Bewegung machte. Wieder entrang sich ihr ein Stöhnen, bevor sie es unterdrücken konnte. Das alles musste ein Albtraum sein, sagte sie sich, während sie sich innerlich wappnete und langsam den Kopf wandte, um ihn anzuschauen.
Die Bewegung schmerzte so sehr, dass es ihr den Atem verschlug. Ihre Augen trafen auf seine, und Shea setzte sich unwillkürlich zur Wehr, um ihm zu entkommen. Seine Augen, schwarz wie die Nacht, starrten sie sengend an. Leidenschaftlicher Hass und bitterer Zorn konzentrierten sich in den seelenlosen Tiefen. Seine Finger schlossen sich noch fester um ihr Handgelenk und entlockten ihrer schmerzenden Kehle einen Aufschrei der Angst und der Qual. Ihr Kopf hämmerte.
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»Stopp!« Shea schlug bei ihrem Versuch, sich aus seinem Griff zu befreien, mit der Stirn an die Seitenwand des Sargs. »Wenn du mich verletzt, kann ich dir nicht helfen.« Sie hob den Kopf, um seinen schwarzen Augen zu begegnen. »Verstehst du mich? Ich bin alles, was du hast.« Sie zwang sich, diesem düsteren Blick standzuhalten. Ein Blick aus Feuer und Eis. Nie hatten Augen sie mehr geängstigt als diese. »Mein Name ist Shea O'Halloran. Ich bin Ärztin.« Sie wiederholte es in mehreren Sprachen, gab aber schließlich auf, als er sie nach wie vor unverwandt anstarrte. Er schien keine Gnade zu kennen.
Aber er war nicht seelenlos. Er wirkte wie ein Tier, das in der Falle saß, verletzt und verwirrt. Ein unvorstellbar gefährliches Raubtier, das auf eine hilflose Hülle reduziert war.
»Wenn du mich lässt, kann ich dir helfen«, murmelte sie leise, als wollte sie ein wildes Tier besänftigen, und nutzte dabei schamlos die Macht ihrer Stimme aus, ließ sie sanft, hypnotisch und begütigend klingen. »Ich brauche Instrumente und ein Fahrzeug. Kannst du verstehen, was ich sage?«
Sie beugte sich zu ihm vor und berührte mit ihrer freien Hand behutsam seinen entsetzlich zugerichteten Oberkörper. Erneut strömte Blut rund um den Pfahl hervor und tropfte aus den zahlreichen anderen Wunden, als wären sie erst vor kurzem entstanden. An seinem Handgelenk klaffte ein frischer, tiefer Riss, der vorhin mit Sicherheit noch nicht da gewesen war. »Mein Gott, du musst furchtbare Schmerzen haben! Beweg dich nicht! Ich kann den Pfahl nicht herausnehmen, bevor ich dich in meiner Hütte habe, sonst verblutest du.«
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Eigenartigerweise war seine Gesichtsfarbe nicht mehr so fahl.
Das Wesen ließ sie langsam und widerwillig los, ohne den Blick von ihrem Gesicht zu wenden. Seine Hand wanderte nach unten, um etwas Erde aufzulesen, und auf die schrecklichen Wunden zu legen. Natürlich! Die Erde würde ihn heilen. Shea half ihm, indem sie mit beiden Händen die schwere Erde schaufelte und auf seinen Verletzungen ausbreitete. Es waren so viele! Nach der ersten Hand voll lag er ganz still, als wollte er seine Kräfte schonen, hielt aber den Blick unverwandt auf sie gerichtet. Er blinzelte nicht ein einziges Mal, und seine dunklen Augen wichen nicht eine Sekunde von ihr.
Shea spähte nervös zum Ausgang. Während ihrer Bewusstlosigkeit war viel Zeit verstrichen. Die Sonne würde bald aufgehen. Sie beugte sich über ihn und strich behutsam sein Haar zurück. Eine seltsame Zärtlichkeit regte sich in ihr. Aus irgendeinem unerklärlichen Grund fühlte sie sich zu diesem armen Geschöpf hingezogen, und diese Empfindung war weit stärker als ihr
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