Karparthianer 04 Magie des Verlangens
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beaufsichtigte. Obwohl sich die beiden weit von ihm entfernt im Stadiongebäude befanden, konnte er ihre Unterhaltung mühelos belauschen.
»Bin ich froh, dass die Tournee vorbei ist.« Müde folgte Savannah den Bühnenarbeitern zur Laderampe, ließ sich auf eine Treppenstufe sinken und beobachtete, wie die Männer den Stahltresor auf einen großen Lastwagen luden. »Na, haben wir denn auch so viel Geld eingenommen, wie du vorausgesagt hast?«, neckte sie ihren Assistenten sanft. Sie wussten beide, dass Geld für Savannah ohne Bedeutung war. Sie kümmerte sich nie um die Finanzen der Show, sondern überließ alles Peter Sanders. Ohne ihn wäre sie wahrscheinlich schon lange bankrott.
»Viel mehr noch. Ich glaube, wir können diese Tournee als Erfolg verbuchen.« Peter grinste sie fröhlich an. »San Francisco soll eine fabelhafte Stadt sein. Warum machen wir nicht ein paar Tage Urlaub? Wir könnten uns wie richtige Touristen benehmen - Straßenbahnen, die Golden Gate Bridge, Alcatraz.
Die Gelegenheit sollten wir uns nicht entgehen lassen, denn vielleicht kommen wir nie wieder hierher.«
»Nichts für mich«, winkte Savannah ab und rutschte ein wenig zur Seite, als Peter sich neben sie auf die Stufe setzte.
»Ich will nur jede Menge Schlaf nachholen. Aber du kannst mir dann ja von deinen Abenteuern berichten.«
»Savannah ...« Peter seufzte schwer. »Ich versuche, mich mit dir zu verabreden.«
Savannah richtete sich auf, nahm die dunkle Brille ab und sah Peter an. Umrahmt von langen dunklen Wimpern, leuchteten ihre Augen tiefblau, beinahe violett, mit silbrig schimmernden Funken, die manchmal wie Sterne am Nachthimmel strahlten.
Wenn Savannah ihn direkt ansah, wurde Peter immer von 10
einem seltsamen Schwindelgefühl überfallen, als würde er langsam in den Tiefen ihres Blicks versinken.
»Oh, Peter.« Ihre Stimme klang weich, melodisch, beinahe hypnotisch. Dieser Stimme hatte Savannah einen Teil ihres schnellen Aufstiegs zum Star zu verdanken, denn es gelang ihr mühelos, jedes Publikum allein mit ihrer Stimme in ihren Bann zu ziehen. »Wir flirten doch nur auf der Bühne miteinander.
Wir sind Freunde und arbeiten gut zusammen, das bedeutet mir so viel. Als ich noch ein Kind war, hatte ich nur einen Wolf zum Freund, niemanden sonst.« Savannah behielt für sich, dass sie noch immer täglich an ihren Wolf dachte. »Ich bin nicht bereit, eine gute Freundschaft zu riskieren, nur um zu versuchen, sie in etwas anderes zu verwandeln.«
Peter blinzelte und schüttelte den Kopf. Was Savannah sagte, kam ihm immer so logisch und überzeugend vor. Wenn sie ihn ansah, war es sowieso unmöglich, ihr zu widersprechen. Nicht nur dass sie ihm den Atem raubte, auch sein Verstand schien nicht vor ihr sicher zu sein. »Ein Wolf? Ein echter Wolf?«
Savannah nickte. »Als ich klein war, lebten wir in einem abgelegenen Teil der Karpaten. Es gab keine anderen Kinder zum Spielen. Eines Tages verirrte sich ein junger Wolf in die Nähe unseres Hauses. Er spielte immer mit mir, wenn ich allein war.« Sehnsucht nach ihrem verlorenen Gefährten schwang in Savannahs Stimme mit. »Er schien stets zu wissen, wann ich ihn brauchte, wenn ich traurig oder einsam war. Und immer war er sanft zu mir. Selbst als er Zähne bekam, hat er nur ganz selten nach mir geschnappt.« Gedankenverloren rieb sich Savannah den Arm. Ihre Finger berührten liebevoll die winzigen Narben.
»Der Wolf wuchs heran und wurde mein ständiger Begleiter.
Wir waren unzertrennlich. Auch nachts im Wald hatte ich nie Angst, weil er mich immer beschützte. Er war riesig und hatte glänzendes schwarzes Fell. Seine Augen waren grau, und er sah mich an, als könnte er mich verstehen. Manchmal wirkte sein 11
Blick so ernst, als lastete alles Leid der Welt auf seinen Schultern. Als ich mich entschloss, nach Amerika zu gehen, war es zwar schwer, mich von meinen Eltern zu trennen, aber der Abschied von meinem Wolf brach mir beinahe das Herz.
Nächtelang habe ich an seinem Hals geweint. Er hielt ganz still, fast so, als trauerte er auch. Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich ihn mitgenommen. Aber er braucht seine Freiheit.«
»Ist das wirklich dein Ernst? Ein richtiger Wolf?«, fragte Peter staunend. Es fiel ihm zwar nicht schwer zu glauben, dass Savannah Mensch und Tier bezaubern konnte, doch das Verhalten des Tieres war ungewöhnlich. »Ich dachte immer, Wölfe seien so menschenscheu. Nicht dass ich schon vielen Wölfen begegnet wäre - jedenfalls nicht der
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