Karparthianer 04 Magie des Verlangens
es um ihr Leben geht. Wenn sie zu Vampiren werden, kann man sie durch die Blutbande leichter aufspüren. Außerdem sind Vampire die verschlagensten Wesen, die die Welt je gesehen hat. Nein, chérie, wir vertrauen keinem karpatianischen Mann ohne Gefährtin.«
»Du musstest mit so vielen schrecklichen Dingen leben«, bemerkte Savannah leise.
»Existieren«, berichtigte Gregori sie. »Es ist kein Leben, wenn man von seinem eigenen Volk ausgeschlossen wird, obwohl man dringend gebraucht wird. Wenn es nötig war, habe ich mein Blut angeboten, doch nur wenige waren zum Austausch bereit.«
Wie immer spürte Savannah kein Selbstmitleid oder ein anderes Gefühl. Gregori akzeptierte seine Lebensweise. Er würde niemals einem anderen sein volles Vertrauen schenken.
Savannah biss sich auf die Lippe. Galt das auch für sie? Würde Gregori immer ein Stück seiner Seele vor ihr verborgen halten?
Sie war so jung und unerfahren. Wie gern wäre sie eine der älteren karpatianischen Frauen, die über alle ihre Kräfte verfügten und ihren Gefährten beistehen konnten!
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Gregori glitt durch die unterirdischen Räume, ohne den Boden zu berühren. Er untersuchte jeden Zentimeter der Wände. Es gab zwei Eingänge. Einer führte zu einer versteckten Kammer, der andere zu einem Tunnel, der aus Zementröhren bestand, um das Wasser abzuhalten. »Dieser Tunnel führt wahrscheinlich nach draußen.«
»Ein Fluchtweg«, murmelte Savannah. »In den Innenhof?«
Gregori schüttelte den Kopf. »Das bezweifle ich, Savannah.
Julian würde sich vom Haus und den Menschen entfernen wollen.« Er konnte sich kaum vorstellen, dass Julian überhaupt in der Stadt leben wollte. Julian Savage war ein Einzelgänger und bevorzugte die Einsamkeit der Berge.
»Und? Ist der Gang mit gefährlichen Fallen versehen?«, hakte Savannah mit leisem Spott nach.
»Ich wünschte, es wäre so«, antwortete Gregori in gespieltem Ernst. »Ich glaube nicht, dass du es mich je vergessen lassen würdest, wenn du in diesem Fall Recht behieltest.« Als Savannah fragend die Brauen hob, lenkte Gregori ein. »Nein, es gibt keine Fallen.« Er strich über die glatte Wand, die dem Innenhof am nächsten war.
Lautlos öffnete sich eine Geheimtür, die den Blick auf eine Schlafkammer freigab, in der zwei Personen Platz hatten. Die Innenwände waren über und über mit wunderschönen Schnitzereien verziert. Julian Savage war ein großer Künstler, die Muster, die er entworfen hatte, waren beruhigend und ästhe-tisch. Savannah wusste nicht viel über die alte Sprache der Karpatianer, doch sie erkannte, dass die prachtvollen Schnitzereien das Muster eines Schutzzaubers ergaben, der durch Symbole der Heilung ergänzt wurde. Insgesamt vermittelte der Raum einen friedlichen, beschützenden Eindruck.
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Gregori betrachtete die Wände schweigend. Seine Züge verrieten keine Gefühlsregung, doch in seinen Augen glänzte Wärme. Die wirkliche Überraschung lag jedoch unter einem weißen Laken. Gregori hob die Hand, und das Laken rutschte beiseite.
Savannah stockte der Atem. Erstaunt blickte sie auf den Schatz, der zu ihren Füßen lag. Erde, dunkel und fruchtbar. Die Erde ihres Heimatlandes. Die ganze Kammer war damit angefüllt, mindestens zwei Meter tief. Gregori tauchte die Hände in die kühle Erde, die ihn willkommen zu heißen schien.
Savannah tat es ihm gleich. Fünf Jahre lang hatte sie die reiche, heilende Erde ihrer Heimat vermissen müssen.
»Wie hat er das geschafft?«, rief Savannah lächelnd. Sie freute sich, dass ihr Haus so wunderbare Geheimnisse hatte.
Gregori legte ihr den Arm um die Schultern. »Mit viel Geduld«, erklärte er mit dem Hauch eines Lächelns auf den Lippen. »Als New Orleans von einer Gelbfieber-Epidemie heimgesucht wurde, importierte man Särge aus Europa, und es hielt sich das Gerücht, dass Vampire in den Särgen ruhten.
Doch offenbar dienten etliche der Särge nur dazu, unsere Heimaterde hierher zu schaffen. Julian war sehr geschickt.«
»Ich frage mich, wie oft er wohl hier gewesen ist«, sagte Savannah leise und ließ die Erde durch ihre Finger rinnen. Was sie eigentlich interessierte, war die Frage, in welchem Maß Julian die Geschichte von New Orleans geprägt hatte. Sterbliche waren schon immer der Überzeugung, dass die legendären Vampire ihrer Fantasievorstellungen in New Orleans ihr Unwesen trieben. Hatte Julian diesen Gerüchten in den vergangenen zweihundert Jahren neue Nahrung gegeben? »Glaubst du, dass der Geheimbund der
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