Karpfen, Glees und Gift im Bauch
verkaffd? Bloß, was kennerd dees sei? Wer kafd scho a Gifdbrieh? Insegdngifd? Raddzngifd? Dees machd doch kann Sinn! Dees gibds wuanders aa.« Kunni zermarterte sich das Gehirn, doch diesesmal machte es nicht PING. Am liebsten hätte sie sich in den Nächten selbst auf die Lauer gelegt, aber das ging nicht. Wenn sie ein paar Jahre jünger gewesen wäre, okay. Nein, sie verwarf den Gedanken sofort wieder. Die Sache war viel zu gefährlich. Sie dachte an Johann Geldmacher, Hubsi und den Grottenmolch aus Waiblingen. Hier waren brutale Verbrecher am Werk, ohne Rücksicht auf Verluste. Die Polizei musste kommen, musste den Laden von vorne bis hinten auf den Kopf stellen. Wozu waren die denn da? Sie griff zum Telefon und wählte die Dienstnummer ihres Neffen. Das Freizeichen ertönte. »Hier spricht die Kriminalpolizei der Stadt Erlangen, Mordkommission, mein Name ist Sandra Millberger. Was kann ich für sie tun?«
»Hallo Sandra, iech bins, die Kunni, dem Gerald sei Dande, kennsd mi ja eh. Isser ned do, der Gerald?«
»Ja hallo, Tante Kunni, das ist aber schön, dass Sie anrufen. Wie geht es Ihnen denn?«, begrüßte Sandra sie überschwänglich.
»Gehd scho, bassd scho!«
»Ihr Neffe kommt gerade zur Tür herein. Er hatte beim Chef einen Termin. Einen ganz kleinen Moment, ich übergebe gleich den Hörer. Machen Sie’s gut, Tante Kunni.«
Es dauerte einen ganz kleinen Moment. Sandra Millberger hielt die Sprechmuschel zu und erklärte ihrem Vorgesetzten, wer am anderen Ende der Leitung wartete. Der Kommissar verdrehte die Augen zum Himmel, als er wahrgenommen hatte, wer ihn da sprechen wollte. Gestenreich wollte er die Annahme des Telefonats ablehnen, doch seine Assistentin ließ nicht locker. »Ja. Tante Kunni, ja Grüß Gott, so eine Überraschung, schön deine Stimme zu hören!«
»Lüch ned!«, kam es beißend aus dem Hörer, »wenns nach dir geh däd, wär edz widder die Sandra am Telefon und solled mier a Gschichd vom Gaul derzähln. Horch zu, wasser der zum Soogn hab.« Dann legte die Kunni los, berichtete ihm von der Observierungsaktion, den nächtlichen Aktivitäten auf dem Gelände von »Immer Frisch«, ihren Vermutungen, erwähnte das Wort ›Gifdbrieh‹ und forderte ihn schließlich auf, endlich aktiv zu werden und mit einem großen Polizeiaufgebot die Lagerhalle und die Büroräume des neuen Supermarktes auf das Gründlichste zu untersuchen. Endlich kam er zu Wort, nachdem seine Tante mit ihrem Wortschwall geendet hatte. »Nein, Tante Kunni, so geht das nicht.« … »Tante Kunni, hör mir zu!« … »Nein, Tante Kunni, das ist gegen die Vorschriften!« … »Tante Kunni, ohne einen berechtigten Verdacht unterschreibt die Staatsanwältin niemals einen Hausdurchsuchungsbefehl!« … »Nein Tante Kunni, es hilft auch nichts, wenn du sie persönlich anrufst!« … »Nein Tante, das verbitte ich mir!«… »Ja, Tante Kunni, aber …« Der Kommissar hielt sich den Telefonhörer vom Ohr, raufte sich die Haare und zuckte hilflos mit den Schultern. Seine Assistentin lachte Tränen. »Ja, Tante Kunni, ich hör dir noch zu.« … » Ja, Tante Kunni, es tut mir leid.« … »Ich versteh dich schon.« … »Gut, in Gottes Namen und des lieben Friedens willen, ich komm morgen bei dir vorbei und hol mir die Unterlagen.« … »Ja, ich bring die Sandra auch mit.« … »Ja, ich geb ja zu, dass das verdächtig erscheint, aber…« … »Tante Kunni, ich muss jetzt Schluss machen. Also bis morgen, mach’s gut.« Gerald Fuchs knallte den Hörer wutentbrannt auf den Telefonapparat. »Irgendwann dreh ich ihr nochmal den Hals rum! Jetzt spielt die immer noch Detektiv! Stell dir nur vor«, wandte er sich an Sandra Millberger, »letzte Woche hat die eine ganze Rentnerband angeheuert und hat die Leute beauftragt, eine Woche lang nachts den Supermarkt zu beobachten und alles aufzuschreiben, was auf dem Gelände von »Immer Frisch«passiert. Und weil da anscheinend ein reger Anlieferverkehr stattgefunden hat, soll ich mit einem Überfallkommando anrücken und den ganzen Supermarkt, nebst Lagerhalle, auseinandernehmen. Bloß, weil meine Tante meint, das sei verdächtig. Es gibt seitens der näheren Anlieger weder eine Beschwerde wegen nächtlicher Ruhestörung noch sonst wie den kleinsten Hinweis auf eine kriminelle Handlung. Und meine senile Tante bildet sich ein, ich erscheine, wie die Pandora aus der Büchse, mit einem Hausdurchsuchungsbefehl, von der Staatsanwaltschaft unterschrieben. Das ist doch zum Verrücktwerden!«
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