Karpfen, Glees und Gift im Bauch
»Und wie bist du jetzt mit deiner Tante verblieben«, wollte Sandra Millberger schmunzelnd wissen.
»Ich musste ihr versprechen, dass wir morgen bei ihr vorbeikommen und uns ihre Observierungsunterlagen ansehen. Sonst hätte sie keine Ruhe gegeben.«
»Deine Tante hat einen starken Willen. Das gefällt mir an ihr.«
»Mir gar nicht«, meinte der Kommissar, »das ist manchmal ganz schön nervig. Übrigens, gibt es zwischenzeitlich irgendwelche Erkenntnisse, wo der Laptop von dem letzten Mordopfer abgeblieben ist?« »Überhaupt nicht. Fehlanzeige. Wir treten im Moment mal wieder ganz schön auf der Stelle.«
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Die Kunni schimpfte wie ein Rohrspatz vor sich hin, nachdem sie das Telefonat mit ihrem Neffen beendet hatte. »Iech kanns scho nemmer hehrn! Vorschrifdn, nix als Vorschrifdn!. Iech scheiß auf die Vorschrifdn! Do lässd, bei Wind und Wedder, bei Regn und Käld, nachds a ganze Wochn lang den heißesden Dadord Deidschlands beobachdn, wassd ganz genau, dass wos ned in Ordnung is, schrabsd alles auf und sammelsd Beweise, und mid woos kummd die Bolizei? Mid Vorschrifdn! Der Leitmayr is do ganz annerschds. Der däd neihaua, dass die Fungn fliechedn! Meilieber! Der hulled si die Bärschli und däds verhehrn, dass singedn wie die Zeisich. Do kennin, mein Leitmayr! Der is aus an annern Holz gschnidzd!« Wutentbrannt griff sie zum Nordbayerischen Tageblatt. »Mid der sinnlosn Rumdelefoniererei kummsd ned amol dazu, dei Zeidung zu lesn«, schimpfte sie noch immer vor sich hin. Sie schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein und machte es sich am Küchentisch bequem.
»Iech kanns scho nemmer hehrn! Jedn Dooch schreibns ieber den Euro-Reddungsschirm und die Hilfsbageede fier die Griechn. Solln sis doch bleide geh lassn! Mier wär mei Deemarg aa viel lieber als der Euro.« Dann fiel ihr Blick auf eine Schlagzeile in der Regionalübersicht. »Flensburger Sexversand mit verbotenen FCKW erwischt (detaillierter Bericht auf Seite 16)«. Kunni griff sich den Regionalteil und schlug die Seite 16 auf
Wozu braucht Uhse-Meier FCKW?
Höchstadt an der Aisch – Polizei schnappt FCKW-Transport
Nicht schlecht staunten die Beamten der Landpolizei Höchstadt an der Aisch, welcher Fisch ihnen letzten Freitag spätabends ins Netz ging. »Es war eigentlich nur eine Routinekontrolle«, meinte Polizeimeister Karl Fröhlich, »wir haben den Wagen nur herausgewunken, weil der linke Scheinwerfer defekt war. Der Fahrer wirkte äußerst nervös. Also sahen wir uns auch seine Ladepapiere an und überprüften das Transportgut. Wir konnten uns nicht vorstellen, wozu der Flensburger Erotikversandhandel kaltgepresstes, türkisches Olivenöl brauchte. Der Fahrer konnte dazu ebenfalls keine Stellungnahme abgeben.« Was die Beamten dann fanden, hat mit Erotikartikeln so viel zu tun, wie Lady Gaga mit dem Papst. Die misstrauisch gewordenen Beamten überprüften die Ladung. Dabei stellte sich heraus, dass der Klein-Lkw schon seit Jahren verbotene und umweltschädliche Fluorchlorkohlenwasserstoffe geladen hatte. Der Fahrer verweigerte jegliche Aussage, wo er die schädliche Chemikalie geladen hatte und für welchen Zweck diese verwendet werden sollte. Der Pressesprecher von Uhse-Meier negierte jeglichen Zusammenhang zwischen dem konfisziertem FCKW und der Firma Meier-Uhse. »Der Fahrer ist zwar Mitarbeiter unseres Hauses, hatte aber für diesen Transport keinen Auftrag unseres Unternehmens. Wir vermuten, dass er die Fahrt aus Privatinteressen durchgeführt hat. Sollte dies der Fall sein, muss er mit schwerwiegenden, firmenseitigen Konsequenzen rechnen.« Der beharrlich schweigende Fahrer wurde in vorläufigen, polizeilichen Gewahrsam genommen. Die Landpolizei Höchstadt an der Aisch bittet aufmerksame Verkehrsteilnehmer um ihre Mithilfe. Wem in der Nacht von Freitag auf Samstag das Fahrzeug der Firma Uhse-Meier, Mercedes-Benz Kastenwagen, mit dem amtlichen Kennzeichen FL-BD-389 aufgefallen sein sollte, möge sich bitte bei der Landpolizei Höchstadt/Aisch oder bei jeder Polizeidienststelle melden. Hinweise werden, falls erwünscht, vertraulich behandelt.
Kunni las den Artikel ein weiteres Mal aufmerksam durch. Auf einem Foto war ein Mercedes-Kleintransporter zu sehen, auf dessen Seitenfläche der Werbespruch »Ob Gummisack, ob Plastikeier, alles gibt’s bei Uhse-Meier« zu lesen war. Sie griff sich aufgeregt ihre Auswertungsliste, fuhr mit dem rechten Zeigefinger auf »Freitag« und weiter auf »21:25 Uhr« und las Alfred Sprottenklees
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