Karpfen, Glees und Gift im Bauch
auszumachen. Sein Gesicht war über und über mit dunkler Tarnfarbe beschmiert. An seine Kanzler Schmidt-Fischermütze hatte er sich, zur weiteren Tarnung, von einer Fichte abgeschnittene Zweige angeheftet. Hanni Müller hatte eine batteriebetriebene Leselampe und einen kleinen, klappbaren Tisch mitgebracht, Utensilien, welche sie für ihre Dokumentationen benötigten. Dirk Loos schließlich hatte die Logistik übernommen und sorgte, falls nötig, für Nachschub an Glühwein. Die vier Rentner fühlten sich wie James Bond, Mossad, KGB, BND und Sherlock Holmes in Einem. »Do gehds ja zu, wie im Daubnschlooch, do driebn!« Wastl Schaub war es, der durch das Jagdglas seines Bruders stierte. »Grood is der Wellein im Innern vo der Lacherhall verschwundn. Hanni schreib amol dees Audokennzeichn aus Emden auf, dees wu iech dier gleich digdier.« Hanni Müller schaltete die kleine Leselampe ein und signalisierte Bereitschaft. Wastl Schaub gab das Kennzeichen durch. »Was machen die da drüben nur?«, wunderte sich Roland Sprottenklee und schüttete die dritte Tasse heißen Glühweins in sich hinein.
»Sauf ned suviel!«, beschwerte sich Hanni Müller, der noch bei seiner ersten Tasse war, »sunsd schdolbersd hamwärds bloss widder und hausd der dein Fischkubf auf.«
»Jetzt müsste die Garde vom KCR hier sein«, träumte Dirk Loos, »die würden wir jetzt aber aufmischen!« »Dräum weider«, kommentierte Wastl Schaub und dachte an seine Henriette und die drei Haare auf ihrer Warze. Vierzig Minuten später, als der Emdener Lkw wieder vom Gelände fuhr, machte Hanni Müller die letzten Notizen in dieser Nacht. Als schließlich auch Toni Wellein sich vom Acker gemacht hatte, packten die vier Agenten von Mossad, BND, KGB und James Bond höchstpersönlich ihre sieben Sachen zusammen und machten sich ebenfalls auf ihren Heimweg. Morgen um die gleiche Zeit würden sie wieder auf Posten sein. Vier Tage, den Rest der Woche, würden sie noch ihre Spionagetätigkeit wahrnehmen, um schließlich Ihrer Majestät, Kunigunde der Ersten, zu berichten.
Ergebnisauswertung
Ihre Majestät, Kunigunde die Erste saß in ihrer Küche und sortierte die Ergebnisse, Notizen und Dokumente des Observierungsteams, welche Dirk Loos bei ihr abgeliefert hatte. »A su a Sauhaufn«, schimpfte sie, »fufzeha Lidder Gliehwein hams gsuffn. Su a versuffne Baggaasch! Und die Zedderleswirdschafd kann iech edz aussordiern und a Ordnung neibringa! Do maani habbi mier wos ohdu.«
Die Internetrecherche von Dirk Loos zu »yìsi« hatte nichts eingebracht. Mit Treffern wie »Young Israel of Staaten Island«, die zu Sabbat-Feiern einluden, konnte Kunni ebenso wenig anfangen, wie mit dem ehemaligen südkoreanischen Politiker Sungjiae Yi Si-yeong. Auch die Internetseite »Yisi«, welche Gratisspiele anbot, sagte ihr nichts. Kunni blieb nichts anderes übrig, als auf die Ergebnisse der nächtlichen Beobachter zu vertrauen, welche in einem kataströsen, ungeordneten Haufen vor ihr auf dem Küchentisch lagen. »Häddn die Debbn vo Mannsbilder dees ned bro Dooch auf an großn Zeddl schreiben kenna?«, schimpfte sie vor sich hin, »die sen ja brunzdumm, so bleed dass schdossn!« Ihr blieb nichts anderes übrig, als die Vielzahl unterschiedlich großer und kleiner Zettel in eine geordnete Chronologie nach Tag und Uhrzeit zu sortieren. Sie brauchte eine Stunde dazu. Dann teilte sie sich ein DIN-A3-Blatt in Wochentage und Uhrzeiten ein und begann mit dem ersten Eintrag.
Montag 20:47Uhr: Ankunft Kleinlastwagen Marke Mercedes Benz, Spedition Adam Kraftmeyer & Co., Augsburg, amtl. pol. Kennzeichen A-LR-1008, verlässt um 21:25 Uhr das Gelände.
Nach zweieinhalb Stunden war sie fix und fertig und total erledigt. Gerade schrieb sie ihren letzten Eintrag.
Freitag 22:15 Uhr: Scania-Lkw mit Anhänger, amtl. pol. Kennzeichen EMD-DD-907, Spedition Markus Kraft – Just in time ist immer fein – trifft ein. Verweildauer 38 Minuten. 22:59 Uhr: Toni Wellein verlässt die Firma.
Sie musste innerlich lachen. Sogar das bekannte Flensburger Erotikhaus Uhse-Maier war am Freitag mit einem Klein-Lkw vorgefahren. Ob die vielleicht neue String-Tangas und Push-Up- BHs angeliefert hatten? Oder möglicherweise interessante Sex-Spielzeuge – für die Retta? »Na jedenfalls is da auf der Nachd ganz schee was los«, sprach sie zu sich selbst, »an Besn dädi fressn, wenni wissn däd, was do drinn in der Lacherhall alles bassierd is! Ob der Toni dadsächli a Gifdbrieh do drinna lacherd odder
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