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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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ein junges Reh vor den Schiefertafeln herumsprang, welche die heutigen Spezialitäten der Schlossküche offerierten. »Heute frischer Rehbraten, aus eigener Jägerei, mit rohem Kloß und Preiselbeeren« verhieß eine der Tafeln. »Schee is do«, stellte die Retta fest, »a Mordsdrum Schloss!«
    »Ich habe gelesen, Lothar Franz von Schönborn hat sich mit dem prächtigen Bau eine private Sommerresidenz in der Nähe seines Amtssitzes Bamberg geschaffen«, erklärte Dirk Loos den beiden Damen. »Dies wurde durch eine Donation von Kaiser Karl den VI. ermöglicht. In seiner dreihundertjährigen Geschichte wurde Schloss Weissenstein nur einmal, im Siebenjährigen Krieg, von preußischen Truppen angegriffen und beschädigt. Deshalb zählt es auch zu den best erhaltenen Schlossanlagen seiner Epoche.«
    »Do sihgsdes scho widder«, intervenierte die Kunni, »die Breißn! Alles machsn kabudd. Damals scho, wie heid aa. Abber, edz lass mer amol den Schdaaglodz Schdaaglodz sei, iech hab edz nämli an gscheidn Hunger. Dees Schloss kemmer uns schbäder aa nu oschaua. Edz werd wos gessn!«
    Die drei stiegen die wenigen Stufen zum Restauranteingang hoch und nahmen vor einem hellen Fenster Platz. Fünfunddreißig Minuten später waren sie voll des Lobes über das ausgezeichnete Essen.
    »Das Krenfleisch war butterweich, die Soße pikant gewürzt und wunderbar sämig«, schwärmte Dirk Loos. »Wirklich empfehlenswert!«
    »Gud woars, abber sadd binni ned ganz worn«, merkte die Kunni an, »a zweids Glees wär grod rechd gwesn.« »Also, do kanni fei nix sogn«, gab auch die Retta ihren Kommentar ab, »die gfillde Babrigaschoodn woar einwandfrei. Sugor a Majoran woar in dem Bodaggnbrei. Wie dahamm!«
    »Seis drumm«, blies die Kunni zum Aufbruch, nachdem sie bezahlt hatte, »edz mach mer unsern Rundgang. Iehr kennd besser laafn, wie iech, iehr brauchd ned auf miech zu wardn.«
    »Wir können auch langsam mit dir gehen, Kunni«, schlug Dirk Loos vor.
    »Na, na, gehd na iehr los, iech schau mi do a weng um. Dreff mer uns hald in anerhalb Schdund widder drin, im Werdshaus, zum Kaffedringn«, schlug die Kunni vor.
    Dirk und Retta machten sich davon und steuerten auf den Haupteingang des Schlosses zu. Kunni konnte der graue Gesteinsklotz und seine dreihundertjährige Geschichte gestohlen bleiben. Ob Lothar Franz von Schönborn oder Gustav Gans der Bauherr des Schlosses war, war ihr ebenso egal, wie wenn in China ein Sack Reis umfällt oder nicht. Das Einzige was Kunni wirklich interessierte, war das Schlosshotel gegenüber, oder genauer gesagt, die Stelle, an der Gustav Haeberle mit zwei Jagdpfeilen erschossen wurde. Also machte sie sich gemütlich auf den Weg zum Ostflügel des Hoteltrakts. Sie hatte sich von ihrem Neffen vorher genau beschreiben lassen, in welchem Zimmer der Waiblinger genächtigt hatte. Schritt für Schritt näherte sie sich dem vermeintlichen Tatort. Blöde, dass sie den Rollator nicht mitgenommen hatte, aber Kommissar Leitmayr war auch niemals mit einer Gehhilfe unterwegs, wenn er den Ort des Geschehens besichtigte. Er verließ sich ausschließlich auf seine Spürnase. Das würde sie auch tun. Nach fünf Minuten war sie am Ziel. »Dees muss es sei, dees Fensder, wu’er gschdandn woar, der Groddnmolch, als na die Bfeil droffn ham«, murmelte sie vor sich hin. Kunni versetzte sich geistig in die Mordnacht. »Do irgndwu hadder si verschdeggd ghabd der Merder, in dera dungln Nachd, wus gschidd had wie aus Aamer.« Sie stellte sich direkt unter das Fenster des Hotelzimmers und betrachtete die Baumstämme, die vor ihr in die Höhe wuchsen. »Hinder welchn Bamm woar’er gschdandn, der Merder?«, fragte sie sich. »Weid vom Fensder kanner ned weg gwesn sei, wecher der Fluuchbahn vo die Bfeil. Was hadder gsachd, der Gerald? Nach der Fluuchbahn kennd si der Merder hinder aner Buchn verschdeggd ghabd ham. Dann kanns ja bloß die dord gwesen sei«, stellte sie fest und deutete auf einen stattlichen Stamm. Langsam schritt sie auf die Buche zu und blickte zurück zum Fenster. »Freie Fluuchbahn!«, stellte sie fest. »Do woars, do hadder gschdandn!« Sie richtete ihre Blicke auf den Boden und lief langsam zum Fenster zurück. Nichts. Keine Spuren. Nichts Auffälliges. Nur feuchtes Laub. Sie lief erneut langsam zum Baum zurück. Dreißig Minuten untersuchte sie peinlichst genau auch die nähere Umgebung und hoffte auf eine Zigarettenkippe, ein Papiertaschentuch, oder ein ähnliches Fundstück. Nichts! Kein Glück, heute. Sie kam

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