Karpfen, Glees und Gift im Bauch
is vergifd worn. Der woar ja gwasi a Midwisser, vo der Gschichd mid dem FCKW.«
»Meinen aufrichtigen Respekt, Tante Kunni. Ich muss mich bei dir entschuldigen. Wir werden nun Folgendes tun: Morgen früh nehmen wir uns den Fahrer von Uhse-Meier nochmals vor und drehen ihn kräftig durch die Mangel. Ich werde ihm auf den Kopf zusagen, wo er das FCKW geladen hat. Außerdem soll die Veronika Sapper sich morgen zur Verfügung halten. Ich werde ihr zwei Spezialisten schicken, welche die Kühlflüssigkeit in dem alten VW-Golf ihres verstorbenen Mannes untersuchen werden. Sollte sich ergeben, dass es sich dabei tatsächlich um die verbotene Chemikalie handelt – und ich habe keinerlei Zweifel daran – werde ich unserer Staatsanwältin sofort einen Hausdurchsuchungsbefehl zur Unterschrift vorlegen. Aber zuerst müssen wir uns Gewissheit verschaffen. Das leuchtet euch hoffentlich ein?«
»Endlich hasd amol was Gscheids gsachd! Iech hab scho langsam an deim Verschdand zweifld«, gab sich die Kunni zufrieden. Sandra Millberger lächelte vor sich hin.
»Noch eins, Tante Kunni Jetzt ist Schluss mit euren Ermittlungen! Keine Jagd auf den oder die Mörder. Das ist zu gefährlich. Das übernehmen nun wir. Es scheint ja alles auf diesen Toni Wellein hinzuweisen. Der Mann ist gefährlich! Versprichst du mir das?«
»Mier wern uns vo dem Toni ganz weid fernhaldn, gell Retta?«, versprach die Kunni ihrem Neffen. Dann erzählte sie ihm noch von ihrer Beobachtung in Pommersfelden und zeigte ihm die Fotos, welche die Buchstabenfolge ›yìsi‹ auf dem Stamm der Buche zeigten.
Mordauftrag
Tang Kelin wurde zeitnah informiert. Für ihn war klar, dass der FCKW-Handel aufgeflogen war. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der festgenommene Fahrer dieser Sexfirma singen würde wie eine Lerche. Da gab er sich überhaupt keiner Illusion hin. Nun galt es, diese Zeit für eine bestmögliche Schadensbegrenzung zu nutzen. Innerhalb von zehn Minuten führte er drei Telefonate und hatte alle Lieferungen, welche an den Supermarkt unterwegs waren, gestoppt.
Dann griff er erneut zum Telefon und wählte eine Nummer, die genauso geheim war, wie der Tresorcode von Fort Knox.
Im fünfunddreißigsten Stockwerk des 374 Meter hohen Central Plaza, an der Harbour Road im Stadtteil Wanchai North in Hongkong, klingelte ein gläsernes Telefon.
»Wei!?« Lu Bing, der Drachenkopf der Sun Yee On-Gruppe nahm den Hörer persönlich ab. Dann lauschte er. Durch die getönten, raumhohen Außenfenster sah er hinab auf die weitläufigen Hafenanlagen Hongkongs. Emsig fuhren die zigarrenförmigen Fährschiffe zwischen Kowloon und Hongkong Island hin und her und spuckten die Passagiere aus ihren Bäuchen, wie ein Ameisenbau seine Bewohner. Der einzige Unterschied war, dass die Menschen in den hektischen Straßen der Stadt, in den Appartementstores oder in den nahegelegenen U-Bahnstationen der MRT verschwanden. Lu Bing befehligte die Sun Yee On-Gruppe, welche der geheimnisvollen Organisation der Triaden, der chinesischen Mafia, angehörte. Die Triaden operieren weltweit. Waffenhandel, Schutzgelderpressungen, Rauschgifthandel, Mord, Korruption, Totschlag, Prostitution, Geldwäsche und Menschenhandel gehören zu ihren bevorzugten Geschäftsfeldern. Wegen ihrer außerordentlichen Brutalität und Rücksichtslosigkeit zählen sie zu einer der weltweit gefürchtetsten Verbrecherorganisationen, welche weder Verrat noch schwerwiegende Fehler verzeiht.
Ihre Gründungsgeschichte geht bis in das 17. Jahrhundert zurück, als sich Widerständler gegen die verhasste Qing-Dynastie zu Geheimbünden zusammentrafen. Mit Übernahme der Macht durch die Kommunisten im Jahr 1949 verlegten die Triaden ihren Hauptsitz nach Hongkong und setzten ihre verbrecherischen Geschäfte nach dem Dai-Lo- und dem Sai-Lo-Prinzip aus der britischen Kronkolonie heraus fort. Das Prinzip ist einfach und effektiv: »Dai-Lo«, der große Bruder, gibt Aufträge und Schutz; »Sai-Lo«, der kleine Bruder, erweist Loyalität und gibt Geld.
Lu Bing lauschte aufmerksam seinem Gesprächspartner, ohne ihn zu unterbrechen. »Unsere Vertrauensperson in Deutschland hat kläglich versagt.«, hörte er. »Das ist unverzeihlich. Ich denke, im Moment ist sie noch keiner Gefahr ausgesetzt, dass ihre Identität auffliegt. Aber das kann in ein paar Tagen anders aussehen. Dann stellt sie eine Gefahr für uns dar. Wir müssen sie zum Schweigen bringen. Schnell und für immer. Bevor eine Verhaftung erfolgt. Diese Person weiß zu
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