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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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Gabelstaplerfahren hatte er nicht verlernt.
    Die Kassiererinnen in der FORMA standen sich unterdessen die Füße in den Bauch. Sie hatten eine längere Zigarettenpause eingelegt. Eine war rüber gegangen zu »Immer Frisch« . Sie kam mit zehn Päckchen Deutsche Markenbutter zurück.
    »Hads heid im Sonderangebood gebm. Dees Bäggla fier an Euro neinazwanzg.«

    *

    Am Spätnachmittag erhielt Johann Geldmacher einen Anruf aus der Zentrale. »Herr Geldmacher, das Management macht sich erhebliche Sorgen über den katastrophalen Umsatzeinbruch und das damit einhergehende, negative operative Ergebnis. Bitte reichen Sie bis spätestens zum 26. September einen ausführlichen, schriftlichen Bericht ein. Dieser sollte auch realistische Vorschläge enthalten, wie Sie gedenken, Ihre Filiale wieder nachhaltig in die Gewinnzone zu führen. Bitte erläutern Sie Ihre Strategie im Detail!«
    Auch das noch! Das hatte ihm gerade noch gefehlt! 26. September! Da hatte er ja noch etwas Zeit. Aber Johann Geldmacher war ein gewissenhafter Filialleiter. Unerledigte Dinge mochte er nicht auf die lange Bank schieben. Er beschloss, mit der Arbeit gleich anzufangen und die ruhigen Abendstunden im Büro zu nutzen. Daheim würde er ja doch wieder vor dem Fernseher einschlafen. Johann Geldmacher war immer noch ein eingefleischter Junggeselle. Zuhause wartete niemand auf ihn. Er legte sich Papier und Bleistift zurecht und begann zu überlegen, wie er seinen Bericht strukturieren sollte.
    Die Zeit verrann und ihm war immer noch nichts Gescheites eingefallen. Lediglich sein Papierkorb hatte sich mit zerknitterten Papierkugeln gefüllt. Er sah auf die Uhr. Kurz vor zehn. Das würde nichts mehr werden heute. Zeit zu verschwinden! Außerdem warteten zuhause noch sieben ungebügelte Hemden auf ihn. Morgen ist auch noch ein Tag. Er ergriff seinen Hut und seine Jacke, sperrte ab und trat in die windige, kühle Nacht hinaus. Sein blauer Ford Focus stand ganz hinten in der äußersten Ecke des Parkplatzes. Der Wind heulte über die offene Fläche und Johann Geldmacher stellte seinen Jackenkragen auf. Drüben, bei »Immer Frisch« brannte noch Licht. Von der Staatsstraße 2259 näherte sich brummendes, tiefes Motorgeräusch, welches an Lautstärke schnell zunahm. Zwei Scheinwerfer fraßen sich in die Dunkelheit des nahe liegenden Verkehrskreisels, bogen in denGewerbering ab und näherten sich dem neuen Supermarkt. Drüben, an der Einfahrt in die Zentrallagerhalle bemerkte Johann Geldmacher eine dunkle Gestalt. Toni Wellein! Was machte der denn noch hier, zu dieser späten Stunde? Der Lkw fuhr auf das Gelände und hielt. Das Fenster, auf der Fahrerseite wurde heruntergelassen. Der Filialleiter der FORMA schlich in der Dunkelheit näher an die gemeinsame Grundstücksgrenze heran. Emdener Nummernschild! EMD-DD-1093! »Wo soll denn das türkische Olivenöl hin?«, ertönte es aus der Fahrerkabine des Lkws. »Iech less dees Door hoch, dann kannsd rei foahrn.« Das war Toni Wellein. Unverkennbar!
    »Wie bitte?«
    »Ich fahre das Tor hoch, dann können Sie hineinfahren!« Ein summendes Geräusch ertönte und langsam setzte sich das Rolltor der Halleneinfahrt in Bewegung. Der Lkw-Fahrer legte den ersten Gang ein und rollte mit seinem Fahrzeug langsam in die Halle. Als die Halle den Lkw gänzlich verschluckt hatte, sprangen die Elektromotoren wieder an und das Tor fuhr langsam wieder nach unten.
    Johann Geldmacher war neugierig geworden. Er setzte sich in seinen Ford Focus und wartete ab. Was war so besonders an einer Lieferung Olivenöl, dass diese nicht auch tagsüber hätte angeliefert werden können?
    Misstrauen krabbelte in ihm hoch. Hatte Toni Wellein etwas zu verbergen? Liefen da etwa krumme Geschäfte ab?
    Es dauerte 35 Minuten, dann fuhr der Emdener Lkw auf der anderen Hallenseite wieder ins Freie. Ohne nochmals anzuhalten, bog er vomGewerbering wieder in die Staatsstraße 2259 ab und verschwand in die Richtung, aus der er gekommen war.
    Fünf Minuten später fuhr auch Toni Wellein vom Gelände. Der »Immer Frisch« Supermarkt lag wieder dunkel und verlassen in der Stille der Nacht. Nur der Wind zerrte an den Gebäudeecken und weiter entfernt stieß ein Waldkäuzchen seine miauenden Rufe in die Dunkelheit.

    China National Petroleum Corporation

    Das Chemiewerk am Songhua Jiang schien noch aus einer anderen, früheren Welt zu stammen. Etwa aus den Zeiten der ersten industriellen Revolution. Das Gewirr an Rohrleitungen, welches vor vielen Jahren, einen

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