Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
Vom Netzwerk:
überkletterte an einer nicht einsehbaren Stelle den Maschendrahtzaun und lief geduckt auf die rückwärtige Längsseite der Halle zu. Der üppige Rasen verschluckte jedes Geräusch seiner Schritte. Vorsichtig pirschte er sich im Schatten der Außenwand in Richtung zur Toreinfahrt vor. Er spitzte um die Ecke. Der LKW stand noch draußen. Der Fahrer kurbelte das Fenster herunter. Toni Wellein stand im Torbereich der erleuchteten Halle.
    »Soll ich die Giftbrühe wieder reinfahren, Chef? So wie das letzte Mal?«, hörte er den Fahrer fragen.
    Aus der Halle drang die wütende Stimme von Toni Wellein: »Mussd du dord draussn su rumschreia. Schwing di hinders Schdeier und foahr rei! Abber a weng flodd!«
    In Johann Geldmachers Kehle schien sich ein Kloß festgesetzt zu haben. Sein Hirn sendete ohne Unterlass: »Giftbrühe!, Giftbrühe!« Er hatte doch richtig gehört? Nun war er sich sicher, dass hier nicht ganz legale Dinge abliefen. Er musste näher ran. Er brauchte eindeutige Beweise. Am besten er schlüpfte unerkannt mit in das Innere der Halle, bevor sich das Tor wieder schloss. Der FORMA-Filialleiter hatte beschlossen, tatsächlich unmittelbar hinter dem Lkw in die Halle zu huschen.
    Er war zu aufgeregt, um die tödliche Bedrohung zu bemerken. Er war im Jagdfieber, hatte jegliche Vorsicht abgelegt und wurde gerade selbst zum Gejagten.
    Ein Augenpaar beobachtete ihn schon die ganze Zeit, seit er über den Rasen gehetzt war und sich in den Schatten der Lagerhalle gedrückt hatte. Die Person in der schwarzen Kapuzenjacke schlich sich in seinem Rücken immer näher an ihn heran. In der Rechten hielt sie einen großen, rund geschliffenen Stein, einen gewaltigen Donau-Kiesel, wie sie rund um die Lagerhalle verteilt waren.
    Johann Geldmacher wollte sich gerade um die Ecke schleichen, um dem einfahrenden Lkw zu folgen, als er hinter sich ein leises Knirschen vernahm. Gerade so, als würden Gummisohlen vorsichtig auf Kies treten. Er erschrak. Sein Herz schien augenblicklich stehen zu bleiben. Das Adrenalin schoss durch seine Blutbahnen wie ein Hochgeschwindigkeitszug auf freier Strecke.
    Im Umdrehen explodierte eine Granate auf seinem Hinterkopf – jedenfalls kam es ihm so vor – und riss ihm die Kopfhaut auf. Warmes Blut schoss pulsierend aus einer mächtigen Platzwunde. Unterschwellig vernahm er das Splittern und Knacken seiner Schädeldecke. Ein fürchterlicher Schmerz, heiß wie ein Blitz, durchfuhr ihn bis in die Zehenspitzen und breitete sich strahlenförmig in seinem gesamten Körper aus.
    »Bitte nicht jetzt! Ich muss dem Lkw folgen und sehen, welche Schweinereien da drinnen ablaufen!« Es waren Johann Geldmachers letzte Gedanken. Dann wurde ihm schlecht. Grauer Nebel umfing ihn. Der wurde immer dichter und dunkler und verschmolz schließlich mit der Schwärze der Nacht.
    Noch im Fallen fühlte er eine angenehme Leichtigkeit, als wäre er in eine watteweiche Schönwetterwolke gebettet worden. Der Schmerz, der vorher noch wie glühender Stahl in ihm wütete, hatte sich verflüchtigt. Die warme, klebrige Soße, die aus seiner aufgeplatzten Kopfhaut rann, nahm er schon nicht mehr wahr. Seine Knie knickten zitternd ein. Sie konnten seinen Körper nicht mehr tragen. Johann Geldmacher stürzte, rückwärts taumelnd, auf den Rasen, welchen er kurze Zeit vorher noch leichtfüßig im geduckten Sprint überquert hatte.
    Die Person, die den FORMA-Filialleiter niedergeschlagen hatte, hatte sich in den Schatten der Halle zurückgezogen und sah ihrem Opfer mitleidlos zu, wie es unter krampfartigen Körperzuckungen seinen letzten Atemzug aushauchte.
    Vorne an der Halleneinfahrt, verschwanden die Rückscheinwerfer des Emdener Lkw’s im Halleninnern. Das Rolltor fuhr quietschend nach unten und verweigerte jedem nächtlichen Beobachter die Sicht auf die weiteren Vorgänge im Innern der Halle.
    Johann Geldmacher lag erschlagen im taufeuchten Gras. Sein Blut versickerte im lockeren Humus des neu angelegten Rasens. Kalte, mitleidlose Blicke ruhten auf ihm. Aus dem Innern der Halle drangen gedämpfte Fahrgeräusche eines mächtigen Gabelstaplers.
    Nach dreißig Minuten verließ der Emdener Lkw das Gelände von »Immer Frisch« und machte sich wieder auf den Weg in Richtung A3. Wenig später machte sich auch Toni Wellein auf seinen späten Nachhauseweg. Die Person, die Johann Geldmacher erschlug, starrte noch immer auf ihr am Boden liegendes Opfer und wartete ab.

Kirchweih

    Die fränkischen Dorfkirchweihen, »Kerwa« oder »Kärwa«,

Weitere Kostenlose Bücher