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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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Deutsche Markenbutter zu ein Euro neununddreißig! Unmöglich! Bot die FORMA den Joghurt mit Ananas, Erdbeere oder Mango für neunundzwanzig Cent an, stand der gleiche Becher bei »Immer Frisch« für einundzwanzig Cent im Verkaufsregal. Das war Preis-Dumping! Unmöglich, dass der neue Wettbewerber – wer war »Immer Frisch« denn schon – unter vernünftigen Kalkulationsansätzen die FORMA-Angebote unterbieten konnte! Aber die Realität zeigte ein anderes Bild. War Toni Wellein ein Hasardeur? Trieb er seinen eigenen Laden bewusst in den Ruin? Oder hatte er einfach kein kommerzielles Gefühl? Johann Geldmacher konnte die Lage nicht einschätzen. Sollte er einfach nur abwarten, bis »Immer Frisch« von selbstpleite ging? Nein! Johann Geldmacher wurde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas nicht in Ordnung war . Da steckte eine Schweinerei dahinter. Er beschloss, den Wettbewerber genau zu beobachten.
    Keine zweihundert Meter Luftlinie entfernt stand Toni Wellein in seinem Büro und sah hinter der getönten Einwegscheibe hinab in die Verkaufsräume. Die Kunden rissen sich die Sonderangebote regelrecht aus den Händen. Der Laden brummte. Er schmunzelte in sich hinein. Genau wie er es mit Tang Kelin geplant hatte. Bald würden die ersten FCKW-Lieferungen eintreffen. Dann konnte das eigentliche Geschäft erst so richtig losgehen. Tang Kelin hatte, seinerzeit in Schanghai, eine großartige Geschäftsidee geboren:
    »Lass uns gemeinsame Sache machen, Anthony«, hatte er damals vorgeschlagen. »Ich produziere in unserem Chemiewerk in Jilin äußerst kostengünstig Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Das umweltschädliche FCKW ist seit Jahren international verboten und darf nicht mehr eingesetzt werden. Das weiß ich. Aber gerade deshalb besteht weltweit ein riesiger Bedarf. Damit lässt sich schnell gutes Geld verdienen. Du spielst den Supermarkt-Filialleiter in eurem Kaff in Deutschland. Ob du fünfzig oder fünfhundert Gurken oder zwei oder zwanzig Kisten Wein pro Tag verkaufst, ist mir völlig scheißegal. Wir brauchen den Supermarkt nur als Scheinfirma. Ich denke an den europaweiten Vertrieb des verbotenen FCKW. Um die vertriebliche Seite brauchst du dich nicht zu kümmern. Das machen andere Leute. Deine Aufgabe ist die Lagerhaltung und der Umschlag der Ware. Das FCKW wird in deinem Supermarkt als »kaltgepresstes türkisches Olivenöl«, auf Paletten verpackt, angeliefert. Passt doch zu einem Supermarkt! Du kümmerst dich um die Einlagerung und gibst die Ware an die Selbstabholer aus. Die melden sich vorher telefonisch bei dir und bringen einen Entnahmeberechtigungsschein mit. Das ist alles schon organisiert. Je abgeholte Tonne »Olivenöl« erhältst du einen Pauschalbetrag, über den wir uns noch einigen müssen.«
    Das klang alles sehr gut. Äußerst verheißungsvoll und erfolgversprechend. Schließlich konnte Toni Wellein Tang Kelin noch dazu bringen, dass die Verkaufspreise der Supermarktwaren über die zu erwartenden Gewinne aus dem FCKW-Verkauf subventioniert würden. Zumindest solange, bis die FORMA-Filiale in Röttenbach mangels Kundschaft ihre Tore schloss. Er, Toni Wellein, habe da noch eine persönliche Rechnung offen, erklärte er Tang Kelin. Dieser willigte schließlich zögernd ein.
    Das Telefon rasselte aufdringlich. Toni nahm den Hörer ab. »Ni hao, Anthony«, begrüßte ihn Tang Kelin, »How are you? Everything fine?”
    Die beiden telefonierten eine halbe Stunde miteinander. Als Toni Wellein den Hörer auflegte, musste er lächeln. Es ging los. Die erste FCKW-Lieferung würde heute Abend um circa zehn Uhr anrollen. Was hatte Tang Kelin am Telefon gesagt? »The truck already arrived at the People Reader Dry Egg. The driver will have a rest, and arrive around ten p.m. at the supermarket.” «Der Lkw ist bereits am Biebelrieder Dreieck angekommen. Der Fahrer macht eine Pause und wird circa um 22 Uhr hier sein.« Er wusste, dass vor fünfundzwanzig Tagen die MS Wenzhou , aus Schanghai kommend, im Hafen von Istanbul angedockt hatte. Die für ihn bestimmte Ware wurde umgeladen und bekam neue Speditionspapiere. Ursprungsland Türkei. Dreizehn große Paletten kaltgepresstes türkisches Olivenöl. Das große Geschäft kam ins Rollen und Toni zählte im Geiste schon die Dollarscheine, die bei ihm hängen bleiben würden. Er freute sich regelrecht darauf, heute Überstunden zu machen. Die Paletten würde er persönlich in den Sonderlagerraum bringen, dem mit der abschließbaren, schweren Stahltüre. Das

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