Karrieresprung
leidenschaftslos arbeitete er seine Aufträge mit den zu Rate gezogenen Büchern ab, sah zitierte Gerichtsurteile ein und vertiefte sich in das Studium lehrreicher Fachaufsätze.
Zum Schluss sah er sich bar aller Strategien, zumindest jener, von denen Löffke unablässig sprach und die das Geheimnis seines Erfolges, überhaupt den Inhalt seines Berufs auszumachen schienen.
Letztlich blieb Knobel als einziges Ergebnis des umfangreichen Aktenstudiums indes lediglich die Einsicht, dass er sich nicht zum Anwalt berufen fühlte.
4
Lisa war schlagartig damenhafter geworden. Hose und Pullover wichen den nun bevorzugten modischen Kostümen.
Wenn sie sich abends zu Hause trafen, wusste sie mehr vom Tag zu berichten als er.
Er beobachtete einen bisher unbekannten Ehrgeiz an ihr, mit dem sie sich in die Dinge verstieg, immer in dem Willen, das Mögliche aus jeder Sache herauszuholen, und nicht selten gelang es ihr. Am Ende fragte sie auch stets nach seinem Tag. Dann gab er manchmal Löffkes Schilderungen als eigene wieder, wobei er auch die blumige Darstellung der wichtigen Fälle übernahm und mit wenigen Worten Bedeutungsvolles skizzierte. Hin und wieder fragte Lisa nach. Einige der Fragen hatte ihm auch Löffke gestellt, weshalb er sie mit einem gewissen Überdruss abwehrte.
Mit aller Macht suchte er ihre Nähe, wartete unruhig und wie gelähmt auf sie, wenn sie spät am Abend noch Akten vorbereitete, ging dann manchmal in ihr Arbeitszimmer, stellte sich hinter sie, umgriff ihre Schulter und küsste ihren Nacken. Es quälte ihn, dass er sie belog. Einmal fragte er, ob sie ihn wirklich liebe, doch Lisa war die Frage zu gewaltig.
»Ja«, hatte sie erwidert, aber ihm war, als sei ihr die Frage lästig gewesen.
Damals, als er sie im Feld berührt hatte, gestand er ihr, sie zu lieben. Die Worte kamen leise und stockend, fast erschienen sie ihm zu gering.
Sie hatte ihm die gleichen Worte geantwortet. Er vermutete, dass ihr solche Worte fremd und stets unpassend erschienen, und er gab sich darin ähnlich, dennoch hätte er gern mehr von ihr gehört.
Er überlegte, wie er unaufdringlich nachfragen könnte. Schließlich streichelte er nur über ihren Kopf und unterließ weitere Fragen. Er hatte jugendliche Liebessehnsüchte hinter sich, Mädchen, deren Nähe er sich herbeigeträumt, nach denen er sich verzehrt hatte und die ihn nachts nicht schlafen ließen. Es waren Freundschaften, die keine waren, sich verloren, ohne je begonnen zu haben, unerledigte Lieben. Mit Lisa verband ihn eine erwachsene Beziehung. Er wollte nicht, dass sie durch seine Liebe erschwert wurde.
5
Sein Aufstieg in der Kanzlei Dr. Hübenthal & Partner begann unerwartet an einem regenverhangenen grauen Aprilnachmittag.
Löffke hatte ihn zu sich gerufen und ihm eröffnet, dass eine wichtige Zivilsache vor dem Dortmunder Landgericht zur Verhandlung anstehe.
»Sie wissen um die Bedeutung des Mandats Rosenboom?«
Diese Suggestivfrage machte weitere Ausführungen entbehrlich, und Knobel bejahte tonlos.
»Wir machen mit der Firma Rosenboom einen großen Teil unseres Umsatzes«, erklärte Löffke. »Meistens mit großen Sachen: Gestaltung der Verträge mit Kunden und Zulieferanten und natürlich alle Prozesssachen aus Streitigkeiten mit seinen Geschäftspartnern.«
Er hielt inne.
»Sie wissen, was es Rosenboom kostet, wenn seine Verträge nicht wasserdicht sind?«
Knobel wusste es nicht.
»Es wird teuer werden«, sagte Löffke, »sehr, sehr teuer«, und seine langsamen Worte ließen die Dimensionen der Kosten erahnen. »Und darum sitzen wir hier und denken vor. Unsere Aufgabe ist es, Verträge aufzusetzen, die alle Eventualitäten berücksichtigen. Verträge, die im Detail durchdacht sind und nicht erst ausgelegt werden müssen. Entscheidend ist jedenfalls, dass Rosenboom im Ernstfall einen Vertrag hat, der ihn sichert. Das ist unsere Aufgabe.«
Löffke fiel seufzend in seinen Sessel zurück, seine linke Hand schnellte zeitgleich zur Zigarettenschachtel.
»Und natürlich bedienen wir Tassilo Rosenboom auch in seinen privaten Angelegenheiten«, fuhr er fort, während er eine Zigarette in den rechten Mundwinkel klemmte und unter dem Aktenstapel nach seinem Feuerzeug wühlte.
Als er endlich fündig geworden war und die Zigarette angezündet hatte, warf er Knobel eine abgegriffene blassblaue Akte zu.
»Darin geht’s um einen von Rosenbooms privaten Fällen«, führte Löffke aus. »Rosenboom hat Anfang letzten Jahres eines seiner Häuser verkauft.
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