Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
Weihnachten passiert ist – Sie haben mehr gesehen, als Sie der Polizei verraten haben. Und das weiß auch jemand anderer.«
    »Ich weiß gar nichts. Nur das, was ich der Polizei gesagt habe.«
    »War es viel wert? Zehntausend? Fünfzigtausend?«
    »Was?«
    »Ihr Schweigen.«
    Jennifer Loibl starrte mit offenem Mund auf den Tisch.
    »Machen Sie keinen Unsinn. Sie sind der Situation nicht gewachsen. Da draußen läuft jemand herum, der vermutlich schon drei Frauen umgebracht hat. Er war vielleicht kein Killer, als Sie ihn kennengelernt haben. Jetzt ist er einer.«
    Jennifer Loibls Handy gab einen Ton von sich. Eine SMS war eingegangen. Sie blickte beiläufig auf das Display. Doch was sie da sah, erregte ihre Aufmerksamkeit. Es war René, der Oberarzt. Sie bat um Entschuldigung und begab sich mit dem Handy in die Kochnische, um die SMS zu lesen.
    In der Tat hatte René viel mitzuteilen. Eigentlich hatte er Ostern mit seiner Familie verbringen wollen, sich aber eingestanden, dass er dazu keine Lust hatte. Stattdessen gebe es eine Hütte in den Bergen, in die er sich zurückziehen wolle. Sollte sie zufällig noch nichts vorhaben, würde er sich sehr über einen Besuch freuen. Jennifer Loibl blieb fast das Herz stehen vor Glück. Sie tippte eine Antwort ins Handy, sagte sich dann aber, dass sie eine Schamfrist verstreichen lassen musste. Sonst sähe es so aus, als sitze sie den ganzen Tag vor ihrem Handy und warte auf Nachricht von René. Sie kehrte zu Wallner zurück. Der war inzwischen aufgestanden.
    »Sie wollen gehen?«, fragte Jennifer Loibl.
    »Ja. Überlegen Sie gut, was Sie tun. Sie können mich jederzeit anrufen. Sie haben meine Karte noch?« Er legte zur Sicherheit eine weitere Visitenkarte auf den Tisch. »Aber tun Sie’s bald.«
    Wallner sah in die Augen der jungen Frau und hatte das Gefühl, dass sie über kurz oder lang anrufen würde. So viel Geld hatte man ihr nicht gegeben, dass sie ihr Leben dafür riskieren würde. Er hoffte nur, dass es nicht bereits zu spät war.

Kapitel 48
    D ie SMS war lang und enthielt eine Wegbeschreibung. Sie musste zum Spitzingsee fahren und von dort die Straße Richtung Valepp nehmen. Nach zwei Kilometern links in einen Forstweg, der an einer Schranke endete. Von da waren es zehn Gehminuten zu einer Jagdhütte. Wieder und wieder las sie den Text und sah sich im Internet Satellitenbilder an, bis sie die Hütte entdeckte. Unscharf, aber erkennbar eine romantische Hütte in den Bergen. Es war halb sieben. Bis acht würde es hell bleiben. Sie könnte die Hütte fast noch bei Tageslicht erreichen, wenn sie jetzt aufbrach. Doch was für einen Eindruck würde das machen? Nein, so leicht durfte sie nicht verfügbar sein. René würde jede Achtung vor ihr verlieren. Heute Abend hatte sie anderes zu tun. Samstagabend hatte man Verabredungen, wenn man Single war. Wenn nicht, war das ein schlechtes Zeichen. Sie musste sich eingestehen, dass sie am Samstagabend oft keine Verabredung hatte.
    Eine andere Frage betraf die Kontaktaufnahme. Sie hätte René gerne angerufen. Aber er hatte eine SMS geschickt, um sie einzuladen. Das hatte etwas Geheimnisvolles. Es war ein romantisches Spiel. Sie musste die Regeln einhalten, sonst war die Romantik dahin. Es war ein bisschen wie früher, als sich Liebende noch Briefe schrieben. Morgen früh wolle sie kommen, schrieb sie René zurück. Und dass sie sich freue.
     
    Er hatte so etwas schon vermutet. Karsamstag war zum Glück ein normaler Einkaufstag, und er hatte den Nachschlüssel bereits anfertigen lassen. Wäre sie gefahren, hätte er in aller Ruhe in die Wohnung gehen und das Plüschlamm an sich nehmen können. Aber das Mädchen wollte sich offenbar interessant machen und schrieb etwas von einer anderweitigen Verabredung, die sie heute Abend hätte, machte aber keine Anstalten, das Haus zu verlassen. Für einen Augenblick überlegte er, ob er nicht nachts in die Wohnung einbrechen sollte. Aber das Risiko war groß. Am Ende gäbe es Geschrei, und die Nachbarn würden die Polizei rufen. Warum das Risiko eingehen? Er würde bis morgen früh warten. In der Zeit würde nichts passieren, was ihm gefährlich werden konnte. Und doch überkamen ihn wieder Zweifel: Was wusste die Frau? Würde sie irgendwann zur Polizei gehen? Er hatte einen blutigen Weg eingeschlagen und ahnte, dass auch der Rest dieses Weges nicht sauber sein würde.
     
    Wallner hatte mit Mike telefoniert, doch es gab keine neuen Erkenntnisse. Dann rief er Vera an. Sie klang seltsam.

Weitere Kostenlose Bücher