Karwoche
Vater zu schützen. Die Freundin von Henry wohl eher nicht. Zumindest sehe ich da kein Motiv. Aber die weiß irgendwas. Ich denke, jemand sollte ihr sagen, dass Sofia Popescu tot ist.«
Er hatte bei Jennifer Loibl angerufen und gesagt, er sei gerade in der Gegend und ob er auf eine Tasse Kaffee vorbeikommen könne. Das Gefühl war auf beiden Seiten beklommen. Sie hatten sich lange nicht gesehen, wenn man von einer sehr kurzen Begegnung im Gerichtssaal vor gut drei Wochen absah. Beim Hereinkommen fiel ihm auf, dass der Schlüssel von innen in der Tür steckte. Im Verlauf des Besuchs, während seine Gastgeberin auf der Toilette war, nahm er einen Wachsabdruck des Wohnungsschlüssels.
Sie redeten zunächst über Belangloses, dann über den Prozess. Schließlich fragte sie ihn: »Hat dich Katharina geschickt?«
»Nein. Wie kommst du darauf?«
»Weiß nicht. Vielleicht ist sie nervös, weil die Polizei im Haus war.«
»Natürlich ist sie ein bisschen nervös. Aber sie weiß, dass sie sich auf dich verlassen kann.«
»Ja. Das kann sie.« Jennifer Loibl machte einen unruhigen Eindruck.
Unter einem Stuhl in der Zimmerecke entdeckte er das rosa Plüschlamm.
»Sehr witzig, dieses rosa Plüschtier. Hast du das schon als Kind gehabt?«
»Ja. Es … es ist ziemlich alt. Hat schon einiges mitgemacht. Noch einen Kaffee?«
Er wollte annehmen, um Zeit zu gewinnen. Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit, das Lamm ohne Aufsehen an sich zu nehmen. Die Sache sollte gewaltlos über die Bühne gehen. Wenn er eine allzu breite Blutspur durchs Land zog, wuchs die Gefahr, sich zu verraten. Allerdings musste er davon ausgehen, dass Jennifer Loibl zumindest ahnte, was es mit dem Plüschtier auf sich hatte. Konnte er es sich leisten, sie am Leben zu lassen? Während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, sah er auf der Straße gegenüber einen Wagen einparken. Er hatte ein Miesbacher Kennzeichen. Aus dem Auto stieg Wallner.
»Vielen Dank«, sagte er und stand auf. »Aber ich muss wieder weiter.«
Im Treppenhaus ging er ein Stockwerk hinauf, um dem Kommissar nicht zu begegnen. Tatsächlich tauchte der alsbald auf und verschwand in der Loiblschen Wohnung. Der Gedanke, dass die Frau in diesem Augenblick von einem Kripo-Kommissar gedrängt wurde, ihr Wissen über die Vorfälle an Weihnachten preiszugeben, beunruhigte ihn. Es war Zeit für Plan B.
Kapitel 47
J ennifer Loibl war nicht eben froh gewesen, den Kommissar vor ihrer Tür zu sehen, hatte ihn aber hereingelassen, nachdem er erklärt hatte, er habe ihr eine wichtige Neuigkeit mitzuteilen. Es war noch Kaffee vom vorangegangenen Besuch da, den sie Wallner anbot.
»Der Name Sofia Popescu sagt Ihnen was?«
»Ich wüsste jetzt nicht …« Sie goss Wallner eine Tasse aus der gläsernen Kaffeekanne ein. »Milch? Zucker?«
»Milch bitte.«
Sie reichte ihm die Tasse. »Die Milch steht vor Ihnen«, sagte sie.
»Als ich Ihnen im Krankenhaus sagte, Sofia Popescu sei verschwunden, machten Sie durchaus den Eindruck, als wüssten Sie, von wem ich rede.«
»Ich hab den Namen schon mal gehört.«
»Sie war eines der Kindermädchen von Leni Millruth gewesen. Heute wurde sie gefunden.«
»Was heißt … gefunden?«
»Das heißt, dass sie ermordet und im Wald vergraben wurde.«
Ihre Züge erstarrten, aber sie versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Ich kannte sie zwar nicht. Aber es tut mir sehr leid.« Ihr Atem ging schneller.
»Sie sind zu Recht beunruhigt«, sagte Waller und ließ die Worte eine Weile im Raum stehen. Andächtig verrührte er die Milch in seiner Kaffeetasse und trank einen Schluck. Auch Jennifer Loibl sagte nichts, rutschte aber zunehmend nervös auf ihrem Sessel herum.
»Ist das alles, was Sie mir sagen wollten?«
»Nein.« Wallner setzte die Tasse ab und sah sich im Raum um. Sein Blick streifte das pinkfarbene Plüschtier in der Ecke. »Ich möchte Sie bitten, das nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Aber ich denke, das tun Sie auch nicht.«
»Was meinen Sie?«
»Irgendjemand hat an Weihnachten Leni Millruth getötet. Und es war ganz offensichtlich nicht der, der für die Tat verurteilt wurde. Jetzt hat jemand das ehemalige Au-pair-Mädchen und Hanna Lohwerk ermordet. Beide standen in Beziehung zu Familie Millruth, insbesondere zu Leni, und möglicherweise zu den Ereignissen an Weihnachten. Ich weiß nicht, ob Ihnen einen Parallele zu sich selbst auffällt.«
»Wie sollte die aussehen?«
»Das wissen Sie besser als ich. Was immer an
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