Karwoche
taucht nimmer auf.«
»Ach du Scheiße. So, wie der schätzungsweise rumhampelt, hat er keine Luft mehr, bis wir da sind. Bei der Feuerwehr in Weyarn gibt’s zwei Taucher. Ich ruf die an. Und an Sanitäter wirst auch brauchen.«
»Ich wollt da eigentlich net so a Aufg’schau veranstalten.«
»Willst deinen Kollegen jetzt rausholen oder net?«
»Schon. Aber halt … diskret.«
Zwanzig Minuten später waren drei Löschzüge, ein Notarztwagen und zwei Streifenfahrzeuge am Seehamer See, dazu ein Wagen der Miesbacher Kripo, dem Janette und Mike entstiegen. Schartauer konnte in letzter Minute gerettet werden. Er hatte sich mit der Pressluftflasche in den Schlingpflanzen am Seegrund verfangen und war in Panik geraten, was dazu führte, dass er sich immer mehr verhedderte und Luft verbrauchte wie ein Stier. Die Flasche war so gut wie leer, als die Rettungstaucher ihn an die Oberfläche zogen. Als Schartauer in den Notarztwagen verfrachtet wurde, kam er kurz zu Bewusstsein. Kreuthner nutzte die Gelegenheit, um an die Trage zu treten.
»Was is mit der Leich? Hast die Leich gesehen?«, flüsterte er gepresst. Schartauer hustete schwach, verdrehte die Augen und verabschiedete sich wieder in seine Ohnmacht.
Mike wartete mit verschränkten Armen vor seinem Dienstwagen und bedeutete Kreuthner, sich gemeinsam mit ihm in den angrenzenden Wald zu begeben, um ungestört zu sein.
»So!«, sagte Mike. »Langsam reicht’s. Ham’s dir ins Hirn g’schissen?«
»Wieso? War
ich
da unten?«
»Du hast den armen Kerl runtergeschickt. Hat der wenigstens mal an Tauchkurs gemacht?«
»Hab ich ihn net gefragt. Der ist erwachsen und weiß, was er tut. Und abgesehen davon: Wer hat denn keine Taucher anfordern wollen? Wer war denn das? Frag dich doch mal selber, ob das hätt passieren müssen. Du hättst es nämlich verhindern können.«
»Für jemanden, der so tief in der Tinte steckt wie du, riskierst a ganz schön dicke Lippe.«
Kreuthner wich Mikes Blick aus. Der sah zum See, wo die Feuerwehr ihre Sachen zusammenpackte. »Ihr habt nach der Leiche von der Sofia Popescu gesucht, oder?«
»Die is hier irgendwo! Glaub’s mir halt! Mir ham a Damenhandtasche gefunden! Die Taucher wären jetzt eh da. Die könnten doch locker a Stund dranhängen.«
»Vergiss es!« Mike stapfte zu seinem Wagen, drehte sich aber noch einmal um. »Und diesmal bist fällig. Ich kann absolut nichts mehr für dich tun.«
»Mike!«, rief Kreuthner mit weinerlicher Verzweiflung in der Stimme und rannte dem Kripo-Kollegen nach. »Jetzt mach halt keinen Schmarrn!« Mit diesen Worten schlug Kreuthner der Länge nach hin, fluchte, rappelte sich auf und sah nach, worüber er gestolpert war. Doch es war weder Ast noch Baumwurzel. Vielmehr sprangen ihm vier knallrote Punkte ins Auge, die sich zu seiner Erleichterung nicht als Spritzer seines eigenen Blutes erwiesen. Es war der Nagellack auf den Fingernägeln einer weiblichen Hand, die aus dem weichen Waldboden zu wachsen schien. Der Daumennagel war nicht zu sehen, da er in eine andere Richtung deutete.
»Da!«, sagte Kreuthner im festen Tonfall eines Mannes, der einmal mehr recht gehabt hatte.
Kapitel 46
W allner war auf dem Weg von Erlangen nach München, als ihn Mikes Anruf erreichte.
»Wie ist sie zu Tode gekommen?«
»Ein Schlag auf den Hinterkopf hat ihr den Schädel zertrümmert. Vielleicht waren es auch mehrere Schläge. Vermutlich mit einem Hammer. Tina und Oliver sind gerade an der Leiche. Sie liegt wohl schon ein paar Tage im Waldboden. Aber die Temperaturen sind ja noch relativ niedrig. Da hat sie sich gut gehalten. Der Täter muss sie von hinten überrascht haben. Es gibt keine Abwehrspuren am Körper und allem Anschein nach auch keine Hautreste unter den Fingernägeln.«
»Wie überrascht man jemanden von hinten in der freien Natur? Da muss sich einer schon gut anschleichen können.«
»Ist ziemlich laut hier.«
»Stimmt. Die Autobahn. Aber vielleicht musste sich der Täter gar nicht anschleichen.«
»Schätze auch, dass das Opfer ihn kannte. Wahrscheinlich hat sich der Täter mit ihr hier verabredet. Gibt’s bei dir was Neues?«
Wallner berichtete kurz von dem Gespräch mit der Therapeutin und bat, diskret mit den Informationen umzugehen.
»Gut, nehmen wir an, es war nicht Wolfgang Millruth. Wer dann?«
»Es kommt fast jeder in Frage. Der Vater, um sich zu schützen. Die Mutter, um die Familie zu schützen. Adrian, der ältere Bruder, auch um die Familie zu schützen. Henry, um den
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