Karwoche
Wallner in seinem Wagen mitzunehmen. Auf dem Weg könne er ihm ja erzählen, was er wisse. Außerdem deutete Mike an, dass auch er Wallner etwas zu sagen habe. Es sei mehr privater Natur. Als Wallner Näheres wissen wollte, sagte Mike, es gehe um Manfred.
Kapitel 4
W allner berichtete Mike, was bei der Kontrolle von Kilian Raubert im Einzelnen vorgefallen war. Seine eigene Anwesenheit erklärte sich dadurch, dass Kreuthner mit hundertfünfzig vom Achenpass gekommen sei, dabei den Lkw von Raubert überholt und ihn, Wallner, fast totgefahren habe. Das hatte Wallner neugierig gemacht. Er war umgedreht und war Kreuthner und Raubert gefolgt. Kurz vor Kreuth hätten die beiden auf dem Parkplatz gestanden, und Kreuthner hatte bei Raubert eine Fahrzeugkontrolle durchgeführt. Auch Wallner hatte sich gewundert. In Skihosen? Was dem Ganzen vorangegangen war, wusste Wallner nicht, war sich aber mit Mike darüber einig, dass Kreuthner wieder irgendeinen haarsträubenden Mist verbrochen hatte.
Mike hatte entschieden, in Hausham bei Hanna Lohwerks Wohnung vorbeizufahren. Das lag auf dem Weg. Die Spurensicherer sollten, nachdem sie auf dem Parkplatz fertig waren, zunächst die Spedition von Kilian Raubert durchsuchen. Möglicherweise war die Leiche dort auf den Lkw geladen worden. Aber auch in der Wohnung des Opfers würden sich Hinweise finden, und Mike wollte nicht bis morgen warten.
Hausham unterschied sich von den anderen Gemeinden im Landkreis. Hier war einst Industrie gewesen. Bis in die sechziger Jahre sogar ein Kohlebergwerk. Die Haushamer sprachen auch anders als die Leute im übrigen Landkreis, etwas Fremdes hatte sich in die Sprache gemischt. Sudetendeutsche und Menschen aus dem Ruhrgebiet hatten ihre Spuren hinterlassen. Aus irgendeinem Grund gab es hier auch eine kleine finnische Kolonie. Hanna Lohwerk hatte an der Peripherie gewohnt, hinter dem ehemaligen Bergwerk.
»Du wolltest mir was sagen. Wegen Manfred.«
Mike schwieg, sah aus dem Wagenfenster, zum Wendelstein am Horizont. Der verschneite Gipfel mit dem Sendemast lag in der Abendsonne. »Ich weiß gar net, ob ich’s dir überhaupt erzählen soll. Eigentlich is es a Schmarrn.«
»Was heißt das? Muss ich’s aus dir rausprügeln?«
»Ja, ich sag’s dir. Es ist aber was, wo ich selber von wem anders gehört hab. Keine Ahnung, ob’s stimmt.«
»Halt keine Volksreden, komm zur Sache!«
»Es geht, wie gesagt, um deinen Großvater.«
»Richtig. Hattest du schon erwähnt. Was ist mit ihm?«
»Kann das sein, dass der heute bei der Tafel war?«
»Was für eine Tafel?«
»Miesbacher Tafel. Die geben da Lebensmittel für Bedürftige aus.«
Wallner war fassungslos. »Manfred? Bei der Tafel? Wer erzählt denn so was?«
»Die Frau vom Sennleitner macht Helferin bei der Tafel. Die sagt, sie hätt den Manfred heut gesehen.«
»Der gibt zwei Euro bei der Caritassammlung. Wüsste nicht, dass er sich darüber hinaus sozial engagiert.«
»Das hast du, glaub ich, falsch verstanden. Er arbeitet da nicht mit.«
»Sondern?«
»Na, er ist hingegangen, um … um was zu essen zu bekommen.«
»Wie bitte?!«
»Ich hab ja gesagt, es is a Schmarrn. Aber du wolltst es ja unbedingt hören.«
»Ich frage mich, wieso du diesen Käse überhaupt weiterverbreitest.«
»Entschuldige. Ich dachte, es interessiert dich vielleicht. Außerdem – wer weiß. Alte Menschen werden ja oft a bissl komisch. Wobei ich find, dass er im Vergleich zu seinem Enkel …«
Wallner gab Mike einen Klaps auf den Hinterkopf. Mike fuhr fast in den Straßengraben.
»Wann soll das gewesen sein?«
»Was?«
»Dass die Sennleitnerin meinen Großvater gesehen hat.«
»Heut Nachmittag.«
»Da haben wir’s. Manfred ist bei seinem Bruder in Villingen. Ich hab ihn heut Mittag selber in den Zug gesetzt.«
»Ah so?«
»Ja. Der ist gar nicht in der Stadt. Außerdem brauchst du einen Berechtigungsausweis, wenn du bei der Tafel was kriegen willst. Wer weiß, wen die Sennleitnerin gesehen hat. Manfred kann’s jedenfalls nicht gewesen sein.«
»Sag ich doch. Alles Quatsch. Vergiss es einfach.«
Sie bogen in eine Seitenstraße Richtung Osten ab. »Wie kommt die drauf, dass Manfred da war? Das erfindet man doch nicht einfach.«
»Du weißt doch, wie Gerüchte entstehen.«
Wallner starrte aus dem Fenster. Der Straßenrand war grau. Bald würde der erste Frühlingsregen das Grau wegwaschen, und Gras würde wachsen. Wallner dachte darüber nach, dass die Sennleitnerin eine geschwätzige Person war. Aber
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